Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern
Geschichten sind in New York passiert.«
»Da ist immer was los. Du solltest irgendwann mal wieder hinfahren.«
»Das werde ich.«
Eine Weile saßen wir schweigend da. Es war ein angenehmes Schweigen. Ich dachte darüber nach, was gerade passiert war. Ich hatte eine dumme Geschichte über meine Familie ausgeplaudert. Ich hatte ohne jede Befangenheit erzählt. Es war fast so, als würde ich mit meinen Schwestern reden. Und ihn schien es total zu interessieren.
Ich betrachtete seine Haare, seine glänzenden braunen Augen, seine glatte Haut, über die ein ständig wechselnder Ausdruck von Glück huschte, sein süßes Grübchengrinsen. Das ist es , schoss es mir durch den Kopf. Ich bin verliebt .
»Was gibt es zum Nachtisch?«, fragte ich.
»Norrie, ich glaube, ich hab mich in dich verliebt«, antwortete er.
In einem seltsamen, satten, ekstatischen Moment der Verbundenheit starrten wir uns über den Tisch hinweg an. Dann stand er auf und ich stand auf und er streckte die Hand nach mir aus und zog mich an sich.
Wir küssten uns, bis ich dachte, ich würde das Bewusstsein verlieren. Und in gewisser Weise geschah das auch. Ich kippte nicht um oder wurde bewusstlos, doch mein Verstand driftete ab in eine andere Welt, wo er sich dumpf und ohne nachzudenken, niederließ und dort auf Mottenkugeln ruhte, bis ich ihn wieder brauchte.
Jetzt werde ich den Vorhang vor die Szene ziehen. Ich finde, weiter sollten ein Mädchen und seine Großmutter nicht gehen, wenn sie Herzensangelegenheiten diskutieren. Doch einen kleinen Schlussteil möchte ich noch hinzufügen.
Spät in der Nacht wachte ich auf, in einem Hochbett, die Zimmerdecke nur knapp einen Meter über meinem Kopf. Robbie lag neben mir, schnarchte leise, ein Arm lag über meinen Bauch.
Ich schob seinen Arm sanft zur Seite und kletterte vom Hochbett. Die Wohnung war dunkel. Die Kerzen waren heruntergebrannt, doch durch das Fenster drang Licht. Ich streifte Robbies T-Shirt über, setzte mich an den Küchentisch und sah hinaus.
Der Vollmond schien vom klaren, kalten Himmel, seine Lichtstrahlen erhellten Robbies Küche. Auf der anderen Hofseite leuchtete, obwohl es zwei Uhr morgens war, ein Schachbrett aus Fenstern. Die Jalousie im Apartment des Orientmädchens war hochgezogen und ich sah sie, kostümiert mit Haarreif und Stolatuch und einem langen, leuchtend bunten Rock wirbelte sie herum, drehte sich und sang. Ich spähte in die anderen Fenster. Ein stämmiger junger Mann kletterte in ein ähnliches Hochbett wie Robbies, eine graue Katze ließ sich mit einem Sprung neben ihm nieder und rieb ihr Fell an seiner Wange. Er kuschelte sich an sie. Sie drückten die Nasen aneinander, dann legten sie sich zum Schlafen hin. Das Orientmädchen drehte sich und tanzte. Alles war gut im Bienenstock der Studenten.
Als ich am nächsten Morgen nach dem Frühstück nach Hause kam, war alles still. Ginger und Daddy-o und Jane schliefen noch, und Miss Maura putzte die Küche. Ich hörte Fernsehgeräusche aus dem Wohnzimmer und warf einen Blick hinein. Sassy saß auf der Couch und sah sich mit Takey Zeichentrickfilme an, ihr Arm lag um seine Schulter, seine Hand auf ihrem Bein. Sie bemerkten mich nicht. Beide waren völlig vom Film hypnotisiert und hatten diesen Zombiefernsehblick, selbstvergessen, während in ihren Händen Kirscheis am Stiel schmolz. In dieser Haltung wirkte Sassy wie ein kleines Mädchen, sie merkte nicht, dass ihr linker Fuß vom Fußende der Ottomane abrutschte oder dass ihr das klebrige Eis auf die Finger tropfte.
Plötzlich fühlte ich mich alt. Oder vielleicht nicht alt, aber reif. Ich war glücklich und traurig zugleich. Ich berührte mein Gesicht, meine neuen markanten Wangenknochen.
Alles war anders.
Dreizehn
In jener Woche hast Du Sassy, und zwar nur Sassy, zum Tee eingeladen. Ginger, Jane und ich verstanden die Botschaft: Auf uns warst Du sauer. Ich weiß nicht, was Ginger getan hatte, um Dich gegen sie aufzubringen, aber über mich waren Dir vermutlich ein paar Gerüchte zu Ohren gekommen. Was Jane anbelangte, ihre Verbrechen waren kein Geheimnis: die Sun hatte gerade erst die Story über ihren Blog und die skandalösen Familiengeheimnisse veröffentlicht, und dann war sie wegen Gotteslästerung der Schule verwiesen worden. Sie war auf Ärger gefasst – nein, sie wollte Ärger.
Als ich von der Schule nach Hause kam, fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, Tampons zu besorgen, deshalb fragte ich Jane, ob sie Lust hatte, mit mir einkaufen zu fahren.
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