Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern
Roman … kannst Du das vielleicht lesen, ohne einen Herzinfarkt zu kriegen.
An einem Novemberabend nach dem Schnelllesekurs fragte mich Robbie noch mal, ob wir uns verabreden wollten. Nur wir zwei. Und um sicherzugehen, dass wir nicht von Exfreundinnen oder irgendwelchen Hirnis aus meiner Schule behelligt werden würden, bot er mir an, er könne bei sich zu Hause für uns kochen. Er hat eine Einzimmerwohnung in einem alten Gebäude im Charles Village, diesem Viertel in Uninähe, in dem viele Graduiertenstudenten wohnen. Er schrieb mir seine Adresse auf. Freitagabend.
Ich erzählte Miss Maura und Ginger, ich würde bei Claire übernachten. Auch sonst habe ich niemandem gesagt, was ich vorhatte – nicht mal Claire. Ich hatte das Gefühl, dass an diesem Abend etwas Einschneidendes passieren würde, und ich wollte nicht, dass sich irgendjemand einmischte.
Das Haus, in dem Robbie wohnt, ist ein heruntergekommenes Backsteingebäude, zwölf niedrige Stockwerke voller Fenster. Die Eingangshalle ist mit einem schäbigen, ziemlich ramponierten Mosaik ausgelegt, das vermutlich mal ganz hübsch aussah, was allerdings lange her sein muss. Der Aufzug ist langsam und knarrt. Ich fuhr in den siebten Stock und drückte auf Robbies Klingel. Als er die Tür öffnete, trug er eine karierte Schürze, seine Haare standen ihm vom Küchendampf wild um den Kopf ab.
Sein iPod spielte irgendwelche altmodische Musik: eine Frau mit kindlicher Stimme besäuselte ihren Liebsten, ihr eine Traube zu schälen. Ich überreichte ihm die Blumen, die ich gekauft hatte, und er drückte mir einen Kuss auf die Wange.
Das Apartment ist winzig, in eine Ecke ist ein Hochbett gequetscht, darunter steht ein Tisch, außerdem gibt es eine kleine Küche mit einem Fenster, das auf einen Innenhof mit Dutzenden anderen Fenstern geht, einige waren erleuchtet, andere nicht, ein faszinierender Bienenstock von Studenten, die in ihren kleinen Zellen vor sich hin summen.
Ich setzte mich an den Küchentisch, auf dem eine Flasche Wein, eine Flasche Mineralwasser mit Kohlensäure und ein Teller mit Käse und Crackern standen. Am Herd rührte Robbie in einem dampfenden Topf Nudeln um.
»Ich hoffe, du magst Spaghetti mit Hackfleischsoße«, sagte er. »Das gibt es nämlich zum Abendessen.«
»Ich liebe Spaghetti mit Hackfleischsoße.« Ich nahm mir einen Cracker mit Ziegenkäse.
Einen großen hölzernen Kochlöffel in der Hand, schenkte Robbie Wein in zwei Gläser. Er hob seines, stieß mit mir an und sagte: »Zum Wohl.«
»Zum Wohl.« Ich trank einen Schluck. Aus irgendeinem Grund musste ich an Messwein denken.
Robbies Handy klingelte. Als er aufs Display sah, runzelte er die Stirn, doch dann nahm er den Anruf entgegen und winkte mir mit dem Löffel zu. »Moment. Doyle? Klar. Nee, ich kann nicht. Nicht heute Abend. Hab Besuch. Geht dich nichts an. Verrat ich dir nicht. Ich werde dir nicht sagen, ob du richtig tippst. Denk doch, was du willst, Alter. Okay. Schau morgen im Kino vorbei. Logo. Tschüs.«
»Doyle«, meinte er, während er auf verschiedene Tasten seines Telefons drückte und es ausschaltete.
»Graduiertenkram?«, fragte ich.
Er lachte. »Genau, Graduiertenkram.« Er rührte die Nudeln noch einmal um, dann schüttete er sie in ein Sieb im Spülbecken. »Fast fertig.«
Allmählich gefiel mir die seltsame kindliche Stimme. »Wer singt das?«
»Blossom Dearie. Sie war eine coole alte Lady.« Er warf mir eine CD mit einer blonden Frau auf dem Cover zu. Während ich sie betrachtete, schaufelte er Spaghetti und Fleischsoße auf meinen Teller. »Möchtest du Salat? Ich könnte einen Salat machen.«
»Möchtest du Salat?«, fragte ich zurück.
»Ich könnte ohne leben. Aber wenn du welchen magst, zaubere ich schnell einen zusammen.«
Ich wollte keinen Salat. Ich hatte Lust, mich mit dekadenten, leckeren Sachen vollzustopfen, statt mich mit Ballaststoffen und Vitaminen und Gesundheit herumzuschlagen. Was es wohl zum Dessert gab?
»Vergiss den Salat«, antwortete ich.
Er grinste und hielt mir einen Korb mit Knoblauchbrot entgegen. Ich nahm ein Stück. Es war warm und triefte vor Butter. Wir fingen an zu essen. Wir redeten nicht. Mir fiel nichts ein, worüber wir reden sollten. Ich sah mich in der winzigen Wohnung um, betrachtete die Zeichnungen an der Wand, die vermutlich von seinen Freunden stammten, das gerahmte Rushmore -Filmplakat und den Spielzeugroboter auf der Fensterbank.
»Erzähl mir eine Geschichte«, bat ich Robbie. »Irgendwas, das dir als
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