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Die Berechnung der Zukunft: Warum die meisten Prognosen falsch sind und manche trotzdem zutreffen - Der New York Times Bestseller (German Edition)

Die Berechnung der Zukunft: Warum die meisten Prognosen falsch sind und manche trotzdem zutreffen - Der New York Times Bestseller (German Edition)

Titel: Die Berechnung der Zukunft: Warum die meisten Prognosen falsch sind und manche trotzdem zutreffen - Der New York Times Bestseller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nate Silver
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millionenschwere Basketballwetter aus Kapitel 8, verlegte sich ein Jahr lang auf Baseballwetten. Der von ihm entwickelte Simulator empfahl konsequent, darauf zu setzen, dass die Philadelphia Phillies unter einer bestimmten Punktzahl bleiben würden. Bei diesen Wetten schnitt er nicht sonderlich gut ab. Schließlich stellte sich heraus, dass die Erklärung dafür auf einen einzigen falschen Buchstaben in den 10 000 Zeilen seines Programms zurückzuführen war. Sein Assistent hatte versehentlich das Stadion der Phillies, den Citizens Bank Park, ein Feld, das Angriff und Home Runs begünstigt, als P-H-l statt P-H-I eingegeben. Diese eine Zeile des Programms hatte ausgereicht, um das Signal seines Programms zu verändern und Voulgaris zu veranlassen, auf das Rauschen zu setzen. Voulgaris ärgerte sich derart über diesen Bug, dass er anschließend gänzlich auf die Verwendung des Programms verzichtete.
    Der Umstand, dass Deep Blue seinen Schöpfern schon lange überlegen war, stellte für Campbell eine Herausforderung dar. Ihm unergründliche Züge konnten also auf Deep Blues überragende Fähigkeiten oder aber auch auf einen Bug zurückzuführen sein.
    »Früher, wenn Deep Blue einen ungewöhnlichen Zug machte, pflegte ich zu sagen: ›Da stimmt was nicht‹«, erzählte Campbell. »Wir nahmen den Code unter die Lupe und fanden früher oder später das Problem. Im Lauf der Zeit änderte sich dies. Zunehmend beruhten seine ungewöhnlichen Züge auf für Menschen nicht mehr nachzuvollziehenden Kalkulationen.«
    Die vielleicht berühmtesten Züge der Schachgeschichte gehen auf das Schachwunderkind Bobby Fischer während der sogenannten Partie des Jahrhunderts 1956 zurück (Abb. 9-7). Fischer, der damals erst dreizehn war, opferte unter dramatischen Umständen zwei Figuren in seiner Partie gegen den Großmeister Donald Byrne: einen Springer ohne ersichtlichen Gewinn, dann wenige Züge darauf einen Läufer, der seine Dame schutzlos zurückließ. Wenige Züge später erwiesen sich diese Opfer als ausgesprochen klug. Dennoch hatten nur wenige damalige und zeitgenössische Großmeister ein derartiges Vorgehen in Erwägung gezogen. Die Faustregel, dass eine Dame nur für die Vernichtung der gegnerischen Dame oder ein Schachmatt aufgegeben werden darf, ist allzu dominierend – vermutlich weil sie in 99 Prozent der Fälle angemessen ist.
    Als ich diese Stellungen in meinen Laptop mittlerer Preislage eingab und vom Programm Fritz analysieren ließ, wurde Fischers Strategie nach nur wenigen Sekunden vorgeschlagen. Alle alternativen Züge außer demjenigen von Fischer wurden als schwere Fehler beurteilt; indem das Programm alle möglichen Züge analysiert, identifiziert es jene Stellungen, in denen die heuristischen Methoden außer Acht gelassen werden sollten.
    Der Computer kann vermutlich nicht als »kreativ« bezeichnet werden, weil er diese Züge fand, denn sie sind auf seine brutale Rechengeschwindigkeit zurückzuführen. Der Computer genießt aber auch noch andere Vorteile. Außerdem wurde er nicht von vorgefassten Meinungen über die korrekte Art Schach zu spielen behindert. Ein menschlicher Schachspieler benötigt Kreativität und Selbstvertrauen, um vom konventionellen Denken abzuweichen. Die Öffentlichkeit bewunderte Fischers Fähigkeiten, weil er so jung war, aber vielleicht fielen ihm ja gerade deswegen diese Züge ein: Ihm stand seine gesamte Fantasie zur Verfügung. Die toten Winkel unseres Denkens haben wir in der Regel selbst verschuldet, und sie können mit zunehmendem Alter größer werden. Computer besitzen ebenfalls tote Winkel, aber sie können das Versagen ihrer Vorstellungskraft immerhin mit der Fähigkeit ausgleichen, eine große Anzahl Züge durchzurechnen.
    Trotzdem: Das Programm von Deep Blue wies einige, wenn auch nicht viele Bugs auf. Am Ende unserer Unterhaltung kam Campbell etwas übermütig auf einen Vorfall gegen Ende der ersten Partie im Match von 1997 gegen Kasparow zu sprechen.
    »Ein Bug schlich sich in die Partie ein und kann dazu geführt haben, dass Kasparow die Fähigkeiten von Deep Blue missverstand«, erzählte Campbell. »Denn diese Möglichkeit ist ihm gar nicht in den Sinn gekommen.«
    Dieser Bug war beim 44. Zug der ersten Partie gegen Kasparow aufgetaucht, als das Programm nicht in der Lage gewesen war, sich für einen Zug zu entscheiden, und als letzte Rettungsmaßnahme einfach willkürlich vorging. Der Bug war nicht weiter von Belang gewesen, er war erst relativ spät in der Partie

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