Die Berechnung der Zukunft: Warum die meisten Prognosen falsch sind und manche trotzdem zutreffen - Der New York Times Bestseller (German Edition)
aufgetreten, als diese ohnehin verloren gewesen war. Campbell und sein Team reparierten ihn am nächsten Tag. »Dieser Bug war in diesem Jahr schon einmal in Erscheinung getreten, und wir glaubten, den Fehler behoben zu haben«, sagt er. »Unglücklicherweise hatten wir dabei etwas übersehen.«
Abbildung 9-7: Bobby Fischers berühmte Opfer (1956)
In der Tat hatte der Bug für Deep Blue alles andere als unglückliche Konsequenzen, denn vermutlich ermöglichte er dem Computer, Kasparow zu schlagen. Den gängigen Auswertungen gemäß begannen die Probleme erst mit der zweiten Partie, als Kasparow der noch nie dagewesene Fehler unterlief, aufzugeben, obwohl ein Remis möglich gewesen wäre. Aber was veranlasste Kasparow zu diesem Fehler? Seine Besorgnis über den unergründlichen 44. Zug Deep Blues in der ersten Partie. Kasparow war zu dem Schluss gelangt, dass dieses kontraintuitive Spiel nur ein Anzeichen überlegener Intelligenz sein könnte, und hatte die Möglichkeit eines Bugs vollkommen außer Acht gelassen.
Obwohl wir uns auf die Technik des 21. Jahrhunderts verlassen, müssen wir uns die toten Winkel Edgar Allan Poes – die Rolle, die diese Maschinen in unserem Leben spielen – in Erinnerung rufen. Der Computer hatte Kasparow zum Absturz verleitet, aber nur aufgrund eines Herstellungsfehlers.
Was Computer gut können
Computer können außerordentlich schnell rechnen. Außerdem rechnen sie zuverlässig, ohne Müdigkeit und Gefühl und ohne ihre Analysemethode auf halbem Weg zu verändern.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Computer perfekte Voraussagen erstellen oder auch nur gute. Die Abkürzung GIGO (»garbage in, garbage out«, »Müll rein, Müll raus«) bringt dies auf den Punkt. Ein schlecht programmierter oder mit unbrauchbaren Daten gefütterter Computer wird Stroh nicht zu Gold spinnen können. Computer eignen sich nicht sonderlich gut für Aufgaben, die Kreativität und Fantasie erfordern. Sie können keine Strategien entwickeln oder Theorien darüber, wie die Welt tickt.
Computer erweisen sich daher auf Gebieten wie Wettervorhersagen und Schach, die relativ einfachen und einsichtigen Gesetzen unterliegen und deren Systeme von Gleichungen beherrscht werden, die für eine gute Prognose viele Male gelöst werden müssen, als nützlich. In Bereichen wie der Ökonomie und der Erdbebenprognose, deren Ursachen undurchsichtiger und deren Daten verrauscht sind, haben sie weniger ausgerichtet. Wissenschaftler in all diesen Bereichen setzten in den 1970er- und 1980er-Jahren große Hoffnungen auf Computer, aber seither sind kaum Fortschritte zu verzeichnen.
Viele Gebiete befinden sich irgendwo zwischen diesen beiden Extremen. Die verfügbaren Daten sind oft gut, aber nicht großartig, und wir besitzen gewisse, aber keine vollkommenen Einblicke in die Systeme und Prozesse, die die Daten erzeugen. In diesen Fällen lassen sich die Vorhersagen durch die Methode der Deep-Blue-Programmierer verbessern: Man verwendet das Trial-and-Error-Verfahren. Darin besteht auch die wesentliche Geschäftsstrategie der Firma, die wir heute primär mit Big Data assoziieren.
Wo Trial-und-Error funktioniert
Ein Besuch des Googleplex in Mountain View, Kalifornien – meiner erfolgte Ende 2009 – ist stets mit einer gewissen Unsicherheit darüber verbunden, ob es sich gerade um Spaß oder ernsthafte Arbeit handelt. In diesem Umfeld gedeiht die Kreativität. Überall grelle Farben, Volleyball-Hallen und alle Arten von Zweirädern. Die Google-Leute, selbst die Ingenieure und Buchhalter, wirken exzentrisch und unkonventionell.
»Unentwegt werden Experimente durchgeführt«, erläuterte mir Hal Varian, der Chefökonom von Google. »Sie müssen sich das vorstellen wie einen Organismus, etwas Lebendiges. Ich sage immer, wir sollten mal darüber nachdenken, was passiert, wenn dieser Organismus wie Skynet lebendig wird. Aber Gouverneur Schwarzenegger hat uns versprochen, uns in einem solchen Fall beizustehen.« (Skynet ist der bösartige Computer in den Terminator -Filmen. Er gerät außer sich, wenn man ihn mit dem HAL 9000 verwechselt.)
Google testet seine Suchmaschinen und andere Produkte exzessiv. »Wir haben letztes Jahr 6000 Experimente für die Suchmaschine laufen lassen und wahrscheinlich 6000 weitere für bezahlte Anzeigen«, erzählte Varian. »Google führt also grob geschätzt über 10 000 Experimente im Jahr durch.«
Einige dieser Experimente fallen ins Auge, beispielsweise werden gelegentlich ganz neue Produkte
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