Die Bernsteinhandlerin
eine Decke gehüllt auf dem blanken Boden genächtigt!«
»Keine Widerrede! Wir bekommen selten Gäste, die uns
so gut unterhalten, da wäre es mir einfach zuwider, wenn ich Euch im Stall oder beim Herd schlafen lassen müsste!«
Erich versuchte noch einmal, dagegen zu argumentieren, doch Magnus lieà keinerlei Widerspruch zu und machte überdies deutlich, dass er eine Ablehnung als Missachtung seiner Gastfreundschaft betrachten würde. »Ich verlange keinen Taler von Euch und will auch sonst keine Gegenleistung, denn die habt Ihr mir bereits gegeben: durch die Schilderung von Ereignissen, von denen wir niemals erfahren hätten.« Er schaute in einer Weise auf Barbara, die ihr unangenehm war, und setzte nach einer kurzen Pause noch hinzu: »Und der Anblick eines so holden Gesichts entschädigt ohnehin für vieles!«
Daraufhin platzten Agneta ein paar Sätze auf Dänisch heraus, die niemand übersetzen musste, um sie zu verstehen. Ihr Kopf war hochrot geworden, der Ãrger stand ihr förmlich ins Gesicht geschrieben.
SchlieÃlich sagte die Gattin des Dänen in einem sehr viel freundlicheren Tonfall in akzentschwerem Platt: »Es ist uns wirklich eine Ehre, Euch zu beherbergen!«
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Das Schlafzimmer war einfach, aber sehr praktisch eingerichtet. Nachdem die Pferde in den Stall geführt und Sack und Pack in Magnusâ Haus gebracht worden waren, standen Erich und Barbara nun inmitten des Zimmers, das ihnen der Däne für die Nacht zugewiesen hatte. Ãber dem Bett hing ein Krötenamulett von der Decke herab. Es war aus Holz geschnitzt, wenngleich nicht sonderlich kunstfertig. Ein Zeichen des Todes, doch geradeso des beginnenden Lebens und der Empfängnis â denn dafür war die krötengestaltige Erdmutter ebenfalls zuständig. Offenbar hatte sich doch bereits mehr vom Aberglauben der Schamaiten und Semgallen in Magnusâ Haus hineingestohlen, als dieser gerne zugegeben hätte.
»Ich werde auf dem Boden schlafen«, erklärte Erich. »So könnt Ihr das Bett zu Eurer Verfügung haben und sicher sein, dass ich keine unschicklichen Absichten verfolge.«
Barbara schwieg. Sie war nicht in der Lage, auch nur einen einzigen Ton über die Lippen zu bringen. Ein dicker Kloà schien ihr im Hals zu stecken.
Wenn es nach dem gegangen wäre, was sie in ihrem Innersten empfand, dann hätte sie in diesem Augenblick laut widersprechen müssen. Aber das konnte sie nicht, und für einen kurzen Moment fragte sie sich, was sie eigentlich daran hinderte. Der Gedanke an die Zukunft des Hauses Heusenbrink? Das Standesbewusstsein? Die in Generationen gewachsene Erkenntnis, dass Verbindungen zwischen Mann und Frau nicht auf Gefühlen, sondern auf vernünftigen Interessen mächtiger Familien beruhten? Männer pflegten ihre Sehnsucht bei den Huren zu stillen, deren Gewerbe zwar nicht gottgefällig, aber wohl genauso notwendig war wie das ebenfalls tief verachtete Handwerk eines Henkers oder Abortreinigers. Und ich?, sinnierte Barbara. Was wird aus meinen Träumen? Gab es da wirklich nichts anderes als die Pflicht und den Kontrakt zwischen Handelspartnern, die sich über die Zukunft der eigenen Töchter und Söhne auf ähnliche Weise einigten, wie man es ansonsten von einer Schiffsladung Tuch, Bernstein, Fell oder Stockfisch kannte?
Barbara legte sich wortlos in das Ehebett des Dänen und seiner Frau, sie war jedoch weit davon entfernt, Ruhe zu finden. Ihre Kleidung lieà sie an, nur die Stiefel zog sie aus.
Erich legte den Waffengurt ab. Auf dem kleinen Holztisch stand eine Kerze, deren flackerndes Licht den Raum erhellte. Nachdem er sich ein Lager in einer der Ecken bereitet hatte, kündigte er an, das Licht zu löschen. »SchlieÃlich wollen wir die Gastfreundschaft des Dänen nicht über Gebühr strapazieren und ihm die Kerze ganz herunterbrennen lassen.«
»So löscht das Licht«, stimmte Barbara zu.
»Ich wünsche Euch einen tiefen Schlaf. Morgen werden wir wahrscheinlich wieder unter wesentlich ungünstigeren Bedingungen zu nächtigen haben.«
»Euch auch eine gute Nacht, Erich«, sagte Barbara, obwohl ihr sein Wunsch fast wie Hohn vorkam. Wie hätte sie in der Gegenwart des Mannes, der ihre Sinne in Aufruhr versetzte, in einen tiefen Schlaf fallen können? Allein der Gedanke erschien ihr völlig absurd. Das Licht erlosch, und es war dunkel.
Barbara lag
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