Die Bernsteinhandlerin
spät für Euch â¦Â«
»Nun mach mal halblang, Pfarrer!«, fuhr Magnus dem Geistlichen über den Mund. »Niemand tut hier etwas, was Gott nicht gefällig wäre, und davon abgesehen bin ich froh, wenn mal jemand an unserem Feuer sitzt, der etwas anderes als immer dieselben alten Geschichten zu erzählen hat. SchlieÃlich kommen ja wirklich selten genug Fremde hierher, und die wenigen, die es in die Nähe unseres Ortes verschlägt, meinen es nicht gut mit uns!«
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So wurden Barbara, Erich und Valdas Gäste im Haus von Magnus, dem Dänen. Es war ziemlich groà und verfügte über mehrere durch Wände abgetrennte Räume, darunter auch ein Schlafzimmer, in dem normalerweise Magnus und seine Frau die Nächte verbrachten. AuÃerdem lebten einige seiner inzwischen ebenfalls verheirateten Kinder mit ihrem Nachwuchs bei ihm. Der hintere Teil des Gebäudes war für eine Schmiede reserviert, die der Däne betrieb.
»Ich habe die einzige Schmiede im Umkreis von hundert oder zweihundert Meilen!«, tönte er. »Und die nächsten Schmieden taugen nichts! Deren Hufeisen sitzen nicht richtig, und ihre Hacken und Sensen sind unbrauchbar.« Niemand von seiner Sippe widersprach ihm.
Barbara lernte Agneta kennen, die Frau des Schmieds. Sie war eine zierlich wirkende Person, die Barbara auf etwa dreiÃig Jahre schätzte. Ihr Platt war nicht besonders gut, und daher fand Barbara die Unterhaltung mit ihr etwas mühsam. Immerhin erfuhr sie, dass Agneta die zweite Frau von Magnus war. Die erste war in ihrem letzten Kindbett gestorben, und Agneta selbst hatte ihren ersten Ehemann verloren, als Unbekannte ihn bei der Feldarbeit überfielen und so lange hinter einem
ihrer Pferde herschleiften, bis er tot war. Seinen schrecklich geschundenen Körper hatte man später gefunden, nachdem die fremden Reiter auch noch ins Dorf gezogen waren und versucht hatten, es zu plündern. Doch den Dörflern war es mit vereinten Kräften und unter groÃen Verlusten gelungen, diese Angreifer davonzujagen. »Es gab viele Tränen«, sagte Agneta. »So viele Tränen â¦Â«
»Und bis heute weià niemand, was das für Reiter waren?«, fragte Barbara stirnrunzelnd und einigermaÃen fassungslos.
»Gesindel«, meinte Agneta achselzuckend, so als würde sie über den kalten Nordwind oder irgendetwas anderes Unabänderliches sprechen. »Menschen ohne Stadt, ohne Stand, ohne Hof â¦Â«
»Warum zieht Ihr nicht von hier fort, wenn diese Plage Euch immer wieder heimsucht?«
»Es ist unser Land, auf dem wir unsere kargen Erträge einbringen, und wir sind keinem Vogt verpflichtet. Nicht einmal der Kirchenzehnte kann hier eingetrieben werden.«
Magnus wollte alles erfahren, was es an Neuigkeiten aus den anderen Teilen des Ordenslandes und darüber hinaus gab, und Erich versuchte die Fragen, so gut es ging, zu beantworten. Er berichtete von seiner Zeit bei der Danziger Stadtwache, während er seinen Dienst im Heer der Litauer unerwähnt lieÃ. Barbara konnte sich den Grund dafür denken. Letztlich wusste niemand, wie feindselig man in diesem Dorf über die Litauer dachte, und da war es vielleicht nicht gerade ratsam, davon zu berichten, für das Reich des GroÃfürsten von Litauen und des Königs von Polen das Schwert geführt zu haben.
Zwischendurch warf Magnus Barbara immer wieder Blicke zu, die an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig lieÃen. Sogar die Anwesenheit seiner Frau genierte ihn dabei sichtlich überhaupt nicht. Nur der Umstand, dass Valdas Barbara
und Erich als Eheleute vorgestellt hatte, hielt ihn im Zaum. Im ersten Moment hatte Barbara Valdasâ Lüge mit groÃer Verwirrung und auch etwas Ãrger zur Kenntnis genommen, aber der Einsiedler kannte ja Magnus und seine Schwäche für das andere Geschlecht und hatte wohl mit gröÃerem Bedacht gehandelt, als es ihm bis dahin zuzutrauen gewesen war.
Sie saà neben Erich am Tisch, und auch wenn er mit Magnus über die Lage in den Ostseeländern sprach und sie selbst sich mit Agneta zu unterhalten versuchte, machte sie die körperliche Nähe zu Erich ein wenig befangen. Was wäre, wenn Valdasâ Notlüge der Wahrheit entsprechen würde?, ging es ihr durch den Kopf. Fühlte sie nicht die Geborgenheit, gepaart mit einer aufwühlenden, alles mitreiÃenden Empfindung, die man sich erträumte, wenn Mann
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