Die Bernsteinhandlerin
auf diese spitze Bemerkung nicht weiter ein. Stattdessen sagte er in sehr ruhig und überlegt wirkenden Worten: »Wir könnten uns aus einer Verbindung zu den Isenbrandts Vorteile für eine Zeit vorstellen, in der der Orden möglicherweise das Bernsteinmonopol verloren hätte und sowohl Ihr wie auch wir auf diesem Gebiet eigene Wege gehen könnten.«
Daher wehte also der Wind! Im Hintergrund tat offenbar der Erzbischof alles dafür, dass dieses Ordensmonopol fiel. Der überhandnehmende Schmuggel hob es ohnedies faktisch schon zum Teil auf.
Aber um eines Tages selbst einen Teil des Handels übernehmen zu können, brauchte das Erzbistum die Sachkunde, die Handelsverbindungen und das Kapital von Männern wie Heinrich Heusenbrink. Besser noch, wenn ein weiterer Partner hinzukäme.
Heinrich war innerlich auf das Höchste alarmiert.
»Ich kann Euch dazu derzeit nichts weiter sagen«, erklärte er mit betonter Zurückhaltung. »Weder, was die familiäre Angelegenheit angeht, noch zu den anderen Dingen, die Ihr angesprochen habt.«
»Ich verstehe«, gab Bernardus zurück. Sein Gesicht wirkte in diesem Augenblick so starr wie eine Maske.
Wirklich?, grübelte Heinrich. Es gab zwei Möglichkeiten, was den Erzbischof und seine Beweggründe für dieses fast schon aufrührerische Koalitionsangebot anging. Beide besaÃen
nach Heinrichs Einschätzung eine etwa gleiche Wahrscheinlichkeit, der Realität zu entsprechen: Es konnte sein, dass man tatsächlich beabsichtigte, mit ihm gegen den Orden zu intrigieren. Genauso gut traute es der Bernsteinkönig jedoch der anderen Seite zu, dass sie ihn beim Orden diskreditierte, sobald er sich dazu entschloss, für den Erzbischof Partei zu ergreifen.
»Ich habe heute Eure Zeit lange genug in Anspruch genommen«, sagte Bernardus. »Wenn Ihr gestattet, dann würde ich nun gerne gehen!«
»Bitte! Es würde mich allerdings freuen, wenn wir auch in Zukunft im Gespräch blieben.«
»Gewiss!«
»Es kann mitunter erfrischend sein, die Lage aus anderer Sicht gedeutet zu bekommen, selbst wenn man in den daraus zu ziehenden Konsequenzen nicht immer übereinstimmt!«
»Wie wahr! Ich empfinde das genauso«, behauptete Bernardus.
Heinrich Heusenbrink erhob sich. Der Höflichkeit entsprechend brachte er diesen besonderen Gast persönlich zur Tür.
Das Engegefühl in Heinrichs Brust war verschwunden, das bedeutete allerdings nicht, dass es ihm bereits wieder richtig gut ging. Er fühlte sich so matt und erschöpft wie schon seit sehr langer Zeit nicht mehr. Der Diener machte ihn darauf aufmerksam, dass Thomas Bartelsen in einem anderen Raum geduldig auf das Ende der Unterredung Heinrich Heusenbrinks mit dem Vertreter des Erzbistums wartete.
Daraufhin trat Heinrich dem wartenden Schreiber entgegen, der zusammengesunken auf dem Diwan saà und in der Zwischenzeit vom Diener mit Getränken und einem kleinen Imbiss versorgt worden war.
Als Thomas Bartelsen den Bernsteinkönig von Riga bemerkte, schreckte er hoch.
»Guten Tag«, sagte er fast ein wenig stammelnd. Er schien ziemlich nervös zu sein, und Heinrich fragte sich, ob es Zufall sein konnte, dass zweimal innerhalb so kurzer Zeit eine Verbindung zu den Isenbrandts in Lübeck hergestellt wurde: erst, indem ihn der Bote des Erzbischofs auf die uneingelöste Verlobung ansprach, und dann durch das Auftauchen des Sekretärs der Lübecker Kaufmannsfamilie.
»Ich hoffe, Ihr erinnert Euch noch an mich â Thomas Bartelsen, Schreiber und Sekretär im Haus der Isenbrandts zu Lübeck.«
»Gewiss erinnere ich mich«, antwortete Heinrich etwas reserviert. Was wollte dieser Mann hier und jetzt von ihm? Was war so wichtig, dass Jakob den jungen Mann eigens auf eine so lange Seereise geschickt hatte? War vielleicht der Erzbischof in seinen Planungen bereits viel weiter, als es Heinrich sich selbst in seinen furchtbarsten Alpträumen hätte ausmalen mögen?
»Es tut mir leid, dass ich Euch habe warten lassen müssen â¦Â«, begann Heinrich höflich und zurückhaltend. Es war eine gute alte Verhandlungstaktik, sich nicht zu schnell aus der Deckung zu wagen. Wenn es darum ging, Bernsteinlieferungen an Handelspartner zu vermitteln und dafür einen guten Preis auszuhandeln, hatte sich diese Vorgehensweise viele hundert Male bewährt.
»Das macht gar nichts«, betonte Bartelsen. »Ich
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