Die Bernsteinhandlerin
beklemmendes Gefühl in der Herzgegend machte ihm schon seit Tagen zu schaffen, und manchmal fiel es ihm schwer, Luft zu holen. Darüber hinaus machte er sich Sorgen um seine Tochter, die eigentlich längst in Riga zurückerwartet wurde, bislang jedoch nichts von sich hatte hören lassen.
»Ihr wisst, wem Riga in Wahrheit gehört«, erklärte Heinrich. »Den Bürgern natürlich. Wir haben durchgesetzt, dass der Stadtvogt von uns und aus unseren eigenen Reihen gewählt wird, und damit haben wir faktisch eine Selbstverwaltung. Wir müssen nur zusehen, dass der Orden nicht einen Landmeister einsetzt, der glaubt, uns dieses Recht wieder nehmen zu können!«
»Der Orden wird genau das tun«, entgegnete Bernardus.
»Woher wollt Ihr das wissen? Seid Ihr neuerdings Teil des Hauptkapitels und nehmt an den Beratungen und Abstimmungen teil? Oder sind das letztlich doch nur alles Vermutungen?«
»Es ist eine Frage der Interessen«, antwortete Bernardus. »Und im Augenblick wäre es für den Erzbischof sehr wichtig, über Männer wie Euch Einfluss auf den Orden und die Kaufmannschaft zu bekommen.«
»Ich fürchte, Ihr überschätzt mich«, erwiderte Heinrich Heusenbrink.
»Man nennt Euch nicht von ungefähr den Bernsteinkönig! Und der Bernstein ist letztlich der Schlüssel zu allem.«
»Für manche der Kaufleute bin ich eine Schande ihrer Zunft, weil sie mich nicht wirklich für einen der Ihren halten.«
»Ach, nein?«
»Sie werfen mir vor, eigentlich nur eine Art Vogt des Ordens zu sein, der das Bernsteinmonopol der Kreuzler verwaltet.«
»Der Erzbischof denkt, dass wir gemeinsam darauf hinwirken könnten, Eure Situation zu verbessern und Eure â nennen wir es Selbstständigkeit â zu erweitern.«
»Es ist nicht so, dass ich etwas gegen mehr Unabhängigkeit vom Orden hätte â¦Â«
»⦠aber Ihr profitiert andererseits zu sehr von Eurer privilegierten Stellung, die Euch der Orden und sein Monopol bisher einräumen«, stellte Bernardus fest. »Keineswegs sind mir oder dem Erzbischof solche Zusammenhänge fremd. Rechnen müssen wir alle â selbst der Papst in Rom muss das! Aber für den Fall, dass das gegenwärtige Interregnum des Meistertums Livland auf eine Weise beendet wird, die Eure Existenz gefährden könnte, bietet Euch der Erzbischof eine Allianz an.«
»Das ist sehr freundlich. Und ich werde gewiss darauf zurückkommen, falls dies eintreten sollte.«
»Vergesst nicht, dass dieser Fall bereits eingetreten war und Ihr Eurem Schicksal nur durch die Gnade Gottes entronnen seid!«
Bernardus spielte damit auf die Berufung von Albrecht von Gomringen zum Landmeister von Livland und dessen schnelles Ableben an. Es hatte nie einen Zweifel daran gegeben, dass Albrecht ein unnachgiebiger Verhandlungspartner für den Erzbischof geworden wäre, und Heinrich Heusenbrink hatte
sich so manches Mal gefragt, ob es wirklich Gottes Gnade in Gestalt eines schnellen Fiebers gewesen war, die den frisch gekürten Landmeister seinerzeit hinweggerafft hatte.
SchlieÃlich gab es auch Gifte, deren Wirkung sich kaum von einer natürlich vorkommenden Krankheit unterschied, und es war durchaus bekannt, dass Silvester beste Verbindungen bis in die höchsten Ränge des Ordens hatte. Mit Sicherheit gab es Spione unter den Vertrauten des Landmeisters, und sehr wahrscheinlich auch beim Hochmeister auf der Marienburg. Heinrich Heusenbrink hätte es niemals gewagt, einen derartigen Verdacht gegen den Erzbischof zu äuÃern. Aber hinter vorgehaltener Hand fragte sich der eine oder andere in Riga, wem der frühe Tod Albrecht von Gomringens eigentlich am meisten genutzt hatte.
»Dem Erzbischof ist bewusst, dass das Misstrauen der Bürgerschaft ihm gegenüber nicht von heute auf morgen aus der Welt geschafft werden kann, doch er möchte betont wissen, dass dies nicht seiner Person vorzuwerfen ist.«
»Es ist sicher immer sinnvoll, Gespräche zu führen.«
»So, wie es Eure Tochter derzeit auf der Marienburg tut.«
Für einen kurzen Moment verlor Heinrich Heusenbrink die Kontrolle über seine Gesichtszüge. Bernardus war offensichtlich weitaus besser informiert, als er gedacht hatte. Heinrich fragte sich, wer von seinem angestellten Personal möglicherweise ein paar Silberstücke als Spitzel dazuverdiente. Abwegig war der Gedanke
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