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Die Bernsteinhandlerin

Titel: Die Bernsteinhandlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walden Conny
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Streitfälle unter Kaufleuten ging, die normalerweise gar nicht vor einem normalen Gericht landeten. Damit war er eigentlich prädestiniert für das Richteramt. Aber hier lag der Fall anders. Hier ging es nicht um den Ausgleich unterschiedlicher Interessen und Rechtsauffassungen, zwischen denen ein Kompromiss gefunden werden musste, wie es in der Praxis eines Ältermanns häufig vorkam, sondern um ungesühnte Heimtücke sowie die Frage, wie groß die Schuld und welcher Natur das Verbrechen war, das man Mina Lodarsen vorwarf. War sie eine profitgierige Frau, die den Tod vieler in Kauf genommen hatte, wenn jemand bei ihr ein Gift bestellte? Und wenn ja, in wie vielen Fällen traf dies zu? Oder war sie gar mit dem Teufel im Bunde, der sich an der Sünde und der Schlechtigkeit der Menschen nicht sattsehen konnte und beides daher nach Kräften beförderte?
    Dass sie schuldig war, hatte von Beginn an niemand angezweifelt. Lediglich über das Ausmaß war noch zu entscheiden – und darüber, unter welchen Umständen sie einem höheren, himmlischen Richter überantwortet werden würde und wie viele ihrer ehemaligen Kunden sie dabei mit in den Tod risse.
    Â 
    An einem der folgenden Tage begehrten drei Kinder Einlass zum Kerker. Es waren die Kinder von Mina Lodarsen. Erich erkannte sie sogleich wieder. Aber der Henker wollte sie nur zu ihrer Mutter lassen, wenn sie denselben Obolus entrichteten
wie alle Gaffer. So bezahlte schließlich Erich diesen Obolus für sie.
    Â»Bis die Kirchenglocken die nächste Stunde schlagen«, mahnte der Henker die Kinder. »Nicht länger, oder es muss neu bezahlt werden.«
    Â»Ihr habt ein zu weiches Herz, Erich«, kommentierte Hagen van Dorpen das Geschehen.
    Â»Was immer ihre Mutter getan haben mag – ihre Kinder sind unschuldig«, fand Erich.
    Â»Seid Ihr Euch da sicher?«
    Â»Was soll das heißen?«
    Â»Das soll heißen, dass sich diese Frage vielleicht noch entscheiden muss. Es könnte ja sein, dass doch noch ein Prozess um Hexerei daraus wird. Ausgeschlossen ist das nicht – und wie unschuldig können die Kinder einer Hexe dann schon sein?« Hagen sprach in gedämpftem Tonfall weiter. »Der Mann dieser Giftmischerin ist doch während einer Bergenfahrt im Sturm umgekommen … Ich kenne zufällig jemanden, der die Fahrt mitgemacht hat und Steuermann auf jener Kogge war. Und der meint, dass der Kerl etwas Dämonisches an sich hatte und seltsame Worte sprach, kurz bevor damals der Sturm losbrach und die halbe Mannschaft samt ihm selbst über Bord riss! Ich will nicht unken, vielleicht liegt die Teufelei ja im Erbe dieser ganzen Sippe …«
    Â 
    Mina Lodarsen schien zu spüren, dass man ihr nicht mehr glaubte.
    Â»Wir sollten die Sache zum Ende bringen«, meinte Richard Kührsen daher, denn die Zweifel am Wahrheitsgehalt von Mina Lodarsens jüngsten Aussagen wuchsen mit jedem weiteren angeblichen Fall von Giftmord, den sie schilderte. Er wandte sich direkt an Mina. »Man kann sich darüber wundern,
dass überhaupt noch jemand am Leben ist in unserer guten Stadt. Ihr scheint ja grausamer gewütet zu haben, als der Schwarze Tod es je getan hat!«
    Â»Aber Herr …«
    Kührsen wandte sich an Hagen und Erich. »Ihr sorgt dafür, dass sie zum Gerichtstermin vorgeführt wird und dabei ein sauberes Büßergewand bekommt. Diesen Geruch halten ja nicht mal Pferde aus! Ich nehme an, dass das Urteil schnell gefällt ist …«
    Â»Herr!«, rief Mina.
    Kührsen sah auf sie herab. »Mich, deinen irdischen Richter, kannst du vielleicht belügen, aber nicht deinen Richter im Himmel! Er allein weiß, was du wirklich auf dem Gewissen hast. Jedenfalls werde ich nicht zulassen, dass dein nichtsnutziges Leben durch weitere Lügen verlängert wird!«
    Â»Und wenn dadurch ein Mensch gerettet werden könnte?«, fragte sie.
    Â»Wie sollte das geschehen?«
    Â»Es gibt einen Kunden, der seine Tat noch nicht begangen hat – da bin ich mir sicher! Aber er wird es tun. Er wird seine junge Frau umbringen, sobald die Ehe geschlossen ist, denn nur die Witwerschaft bei Kinderlosigkeit gibt ihm die Kontrolle über ihr Vermögen!«
    Kührsen beugte sich zu ihr. »Von wem in Gottes Namen sprichst du?«
    Â»Ihr wollt mehr wissen? Darüber etwa, dass ich für den hohen Herrn ein Gift gemischt habe, das langsam wirkt und ohne Geschmack

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