Die Bernsteinhandlerin
Lagunenstadt beschäftigt war, hatte den Heusenbrinks einige dieser Masken als Gastgeschenke hinterlassen, und seitdem zierten sie in ihrem Rigaer Stammhaus einen Raum, den Barbara immer als »Kuriositätenkabinett« bezeichnete. Das Einhorn eines Narwals war dort ebenso zu finden wie die gebogenen Schwerter und Reflexbögen der Tataren aus Kasan, auÃerdem chinesisches Porzellan, ein Wandteppich aus Persien oder zum Beispiel Münzen vom Hof des Sultans von Delhi.
»Ich hatte bisher immer angenommen, dass man in Riga noch mit den Fingern isst«, bemerkte Adelheid, an Barbara gerichtet. »Aber wie ich sehe, habe ich mich geirrt.«
Hie und da lachte jemand. Die groÃe Mehrheit war sich jedoch offenbar nicht sicher, wie sie auf Adelheids Bemerkung reagieren sollte, und wartete daher einfach ab.
In diesem Augenblick traf Matthias Isenbrandt ein. Mit wehendem Mantel betrat er den Raum, die Stiefel noch dreckstarrend von dem Ritt, den er offenbar hinter sich hatte. Ein Diener nahm ihm den Umhang ab.
Ziemlich aufgebracht eilte Jakob Isenbrandt seinem Sohn entgegen, und die beiden wechselten leise ein paar Worte, die im allgemeinen Stimmengewirr untergingen. Für Barbara war allerdings mehr als deutlich, dass Jakob das späte Auftauchen seines Sohnes missbilligte.
Als Matthias Barbara anschlieÃend begrüÃte, umflorte ihn der Geruch von schalem Bier.
»Ich hoffe, Ihr verzeiht mir mein verspätetes Eintreffen, Barbara. Aber es gab gute Gründe dafür. Manchmal lassen sich Geschäfte nicht aufschieben.«
»Wie wahr«, antwortete Barbara kühl und setzte dann mit leisem, aber unüberhörbarem Spott hinzu: »Und vor manchen Transaktionen muss man sich sogar im Wirtshaus Mut antrinken!«
Matthias lächelte. Sein Gesicht war so ebenmäÃig, dass man meinen konnte, ein italienischer Maler habe es nach den Vorbildern der Antike entworfen. Der Sohn der Isenbrandts verstand Barbaras Anspielung sofort. Sein Lächeln wirkte schwach und aufgesetzt.
»Ich würde unsere Verlobung nicht als Transaktion bezeichnen, Barbara.«
»Ihr seid der Erste, der dies tut.«
»Ich bin mir sicher, dass wir uns gut verstehen werden. Und wie man allerorten hört, seid Ihr ja auch in geschäftlichen Dingen bewandert und talentiert â ganz im Gegensatz zu mir!«
»Ach ja?«
»Zumindest wenn es nach dem Urteil meines Vaters geht, der es bestimmt lieber gehabt hätte, wenn nicht mein Bruder, sondern ich mit der Kogge vor Flandern gekentert und ertrunken wäre!« Matthias zuckte die Schultern. »Es werden einem eben nicht alle Wünsche im Leben erfüllt!«
»Ist eine so pessimistische Weltsicht nicht eher untypisch für einen lübischen Fernhandelskaufmann?«, fragte Barbara.
»Ja, ganz im Gegensatz zu meinem toten Bruder passe ich wohl in mancherlei Hinsicht nicht so ganz in dieses Bild hinein. Aber Ihr â als eine Frau, die ich mir ehrlich gesagt schwer in einer der Kaufmannsbruderschaften vorstellen kann â seid
ja vielleicht auch nicht ganz typisch für eine Patriziersgattin, und so werden wir ein schönes Paar abgeben, das zumindest keine finanziellen Sorgen hat. Selbst wenn wir alles zugrunde richten, wird für die Zeit unserer Lebensspanne mehr Vermögen da sein, als wir ausgeben können.«
Matthias verstummte, als ihn der tadelnde Blick seiner Mutter traf.
Jakob Isenbrandt wandte sich unterdessen an Heinrich. »Noch fünf Tage sind es bis zu dem Zeitpunkt, den wir für das Fest vorgesehen hatten, und eigentlich sollte ja danach erst eine Verlobungszeit von mindestens einem halben Jahr folgen â¦Â«
»So hatten wir es festgelegt«, nickte Heinrich.
»Es wäre dringend ratsam, diese Zeit zu verkürzen.«
Heinrich runzelte die Stirn. »Was schwebt Euch vor, Jakob?«
»Wie wäre es, wenn wir der Verlobung gleich die Hochzeit folgen lieÃen â vielleicht mit einem Abstand von zwei oder drei Wochen, die Ihr natürlich unsere Gäste wärt? Wir müssen schlieÃlich auch entfernter wohnenden Gästen die Möglichkeit geben, rechtzeitig zur Feier einzutreffen.«
»Warum die plötzliche Eile?«, erkundigte sich Heinrich Heusenbrink, und auch Barbara hörte gespannt zu.
»Weil es gut wäre, die Verbindung der Häuser Isenbrandt und Heusenbrink möglichst schnell und deutlich nach auÃen zu dokumentieren. Ihr werdet nämlich in
Weitere Kostenlose Bücher