Die Bernsteinhandlerin
darüber geklagt, welche AusmaÃe dieser Schmuggel inzwischen angenommen hatte, und ihr vorgerechnet, wie groà die Schäden waren, die dem Ordensstaat daraus erwuchsen. Inzwischen wurde angenommen, dass genauso viel Bernstein auf illegalem Weg das Ordensland verlieà wie über den legalen Weg. Und jedes Stück Bernstein, das an der Kontrolle des Ordens vorbei seinen Weg auf die Märkte in Lübeck, Antwerpen oder gar Paris und Venedig fand, war für die Schatzmeister des Ordens verloren.
»Das sind arme Schlucker«, sagte Erich. »Sie sammeln das Gold der Ostsee und verhelfen dem Orden so zu seinem Reichtum â und gleichzeitig haben sie selbst kaum das Notwendigste! Der Orden streicht die ganze Handelsspanne ein â¦Â«
»Das klingt ja fast so, als würdet Ihr diese Schmuggler rechtfertigen!«, empörte sich Barbara.
Erich lächelte. »Ich bin überzeugt davon, dass der Orden auch Euresgleichen verhältnismäÃig kurzhält â und doch würde jeder von denen da unten liebend gerne mit Euch tauschen, glaubt es mir!«
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Die Pferde schnaubten. Barbara drehte sich um. Hinter einer der anderen Dünen war ein Mann aufgetaucht und stieà einen lauten Ruf in einer Sprache aus, die Barbara nicht kannte. Es mochte Polnisch, Litauisch oder vielleicht auch einer der lokalen Dialekte sein, die hier gesprochen wurden.
Zwei weitere Männer erschienen auf diesem Dünenkamm. Sie alle waren mit Ãxten und langen Messern bewaffnet und riefen nun die anderen herbei. Ein vierter Mann fand sich ein, er trug eine Armbrust bei sich. Barbara nahm an, dass er vielleicht sogar beim Orden im Sold stand und tagsüber die Bernsteinsammler kontrollierte, denen er nachts dann zugleich half, einen Teil der Beute an Schmuggler zu versetzen.
Dafür sprachen auch sein Lederwams und das Ordenskreuz, das er am Helm trug. Vermutlich war er ein sogenannter Sariantbruder, worunter man nichtadelige Laien verstand, die in der Verwaltung oder als Soldaten mit leichter Bewaffnung eingesetzt wurden.
Er hob seine Armbrust und drückte ab. Der Bolzen lieà aus der Düne lediglich eine kleine Sandfontäne aufschieÃen. Denn beinahe im selben Moment, da der Sariantbruder den Abzug seiner Armbrust durchgezogen hatte, traf ihn bereits der Pfeil, den Erich blitzschnell eingelegt hatte, und lieà ihn zurücktaumeln und niedersinken. Genauso blitzschnell hatte Erich den zweiten Pfeil eingelegt.
Die beiden anderen Männer erstarrten zuerst, als sie das wahrnahmen, dann rannten sie laut schreiend davon. Erich senkte den Bogen. »Wir müssen fort!«, wandte er sich an Barbara.
Sie rappelte sich auf und lief zu ihrem Pferd. Sie tat es Erich gleich und wuchtete dem Tier den Sattel auf den Rücken. Die Stimmen der Schmuggler waren nun weitaus deutlicher zu hören.
Die Pferde hatten sie an einem Strauch festgemacht, der von einer der Dünen bereits halb begraben war. Dort, wo die Nehrung schon abgeholzt war, kam der sandige Untergrund zum Vorschein. Und dieser Sand wanderte. Der Wind trieb ihn vor sich her und türmte ihn an anderer Stelle wieder hoch auf.
Jetzt riss sich Barbaras Pferd los. Barbara fasste sofort nach
den Zügeln und erwischte sie tatsächlich auch. Das Pferd wieherte, scharrte mit den Hufen und beruhigte sich dann. Erich half ihr dabei, die letzten Riemen festzuzurren.
Eiligst schwangen sie sich in die Sättel und trieben die Pferde voran. Barbara spürte wieder jeden einzelnen Muskel, den sie am Vortag während des langen Rittes angespannt hatte. Aber sie biss die Zähne zusammen. Als sie den nächsten Dünenkamm erreichte, drehte sie sich im Sattel um und sah, dass sich eine Gruppe von Schmugglern ihnen bereits auf Bogenschussweite genähert hatte.
Zum Glück schien keiner von ihnen mit einer Fernwaffe ausgerüstet zu sein. Die meisten schwangen Ãxte. Die wenigen Schwerter und Hellebarden deuteten jedoch darauf hin, dass auch Ordensangehörige in gröÃerer Zahl an dem Schmuggel beteiligt waren. Natürlich waren das weder Ritter noch Priesterbrüder, sondern entweder Sariantbrüder oder sogenannte Halbkreuzler, die für Wachdienst und andere niedere Tätigkeiten eingesetzt wurden. Anders als die vom Orden angeworbenen Söldner hatten diese Männer jedoch die Gelübde abgelegt und galten daher als zuverlässiger.
Offenbar ein Irrtum!, dachte Barbara.
Jetzt tauchten auch aus anderer
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