Die Bernsteinhandlerin
Zuversicht zusprechen. »Demzufolge erlaubte uns das Eintreffen dieser Todesnachricht vor drei Jahren, Lübeck auf schnellstem Weg zu verlassen.«
»Ist das Verlöbnis je gelöst worden?«, fragte Erich.
Barbara schüttelte den Kopf. »Nein, das ist nie geschehen. Offiziell besteht es noch immer.«
»Damit die Isenbrandts nicht ihre Ehre verlieren und man nicht über sie spottet?«, fragte Erich. »Oder weil Ihr und Euer Vater die Rache dieses lübischen Hauses fürchtet, dessen Arme wahrscheinlich viel weiter reichen, als Ihr glaubt?«
»Wir bekamen auch so schon bitter zu spüren, wie weit die Verbindungen der Isenbrandts reichen«, erwiderte Barbara. »Gleichwohl â das Glück war uns im Unglück hold. Albrecht von Gomringen hat nur für ganz kurze Zeit die livländische Landmeisterschaft des Ordens übernommen. Er hätte uns sehr schaden können, aber Gott hat ihn zu sich geholt. Und nun hat der Hochmeister Ludwig von Erlichshausen die Herrschaft in der Marienburg übernommen, und er verwaltet Livland zunächst persönlich. Auf diese Weise hat sich alles für uns zum Besten gewandt!«
»In Danzig redet man nicht freundlich über Ludwig von Erlichshausen«, erwiderte Erich.
»Weil er beim Kaiser eine zwangsweise Auflösung des sogenannten Bundes gegen Gewalt zu erreichen versucht?«
»Das reizt die Hansestädte bis aufs Blut. Es wird früher oder später wieder Krieg geben, das pfeifen die Spatzen von den Dächern.«
»Ja, und deshalb braucht der Orden den Gewinn aus dem Bernsteinhandel so dringend wie nie! Von denen, die in der Marienburg an den Kanonen stehen, sind schon mehr als die Hälfte gar keine Ordensritter mehr, sondern teure Söldner! Und es sollen ihrer noch mehr werden, wie mir Ludwig selbst erklärt hat! Der Bedarf des Ordens an frischem Geld war nie gröÃer als jetzt â und da will es sich offenbar niemand leisten, auf die Dienste der Heusenbrinks zu verzichten und etwa jemand anderem die Privilegien zu geben.«
»Die Isenbrandts wird es nicht gerade freuen, dass sie nun keinen Anteil an diesen Geschäften haben!«, stellte Erich fest.
»Da habt Ihr ganz gewiss recht! Meine Hochzeit mit Matthias â das sollte nichts anderes sein als der FuÃ, den die Isenbrandts in die Tür des Bernsteinhandels im Ordensland zu setzen gedachten!«
»Und Ihr glaubt, dass sie diese Pläne aufgegeben haben?«, fragte Erich von Belden zweifelnd.
»Das weià ich nicht.«
»Auf jeden Fall solltet Ihr Euch Gedanken darüber machen, ob es nicht auch heute die gottlose Sippe Eures Verlobten war, die Euch diese Halunken auf den Hals schickte!«
»Die Heusenbrinks haben mehr als nur einen Feind«, seufzte Barbara. »Nun erzählt mir von Euch und dem, was Ihr in den letzten Jahren erlebt habt!«
Erich stocherte ein wenig mit seinem Rapier in der Glut herum, um das Feuer heftiger brennen zu lassen. »Das Wesentliche habe ich Euch bereits gesagt: drei zusätzliche Jahre
einer sinnlosen Wanderschaft, von der ich nicht sehe, wo ihr Ziel liegen könnte. Ich sah viel Leid und Tod in dieser Zeit. Und ich glaube, dass sich in den Ländern rund um die Ostsee groÃe Veränderungen ankündigen, von denen niemand weiÃ, ob sie letztlich wirklich zum Guten wirken werden. Die Zukunft erscheint mir oft wie eine dieser neuartigen Feuerwaffen: Die Lunte ist bereits angezündet und stinkt zum Himmel! Jeder weiÃ, dass der Schuss gleich loskrachen wird â nur wen er zerreiÃt, das muss sich noch zeigen!«
»Darum ist es gut, dass niemand auÃer dem Herrn die Zukunft zu lesen vermag«, antwortete Barbara gedankenverloren. »Meint Ihr nicht auch, Erich?«
Â
Der Schlaf, in den Barbara fiel, war tief und geprägt von wirren Träumen. So träumte sie von einem groÃen hölzernen Götzenbild, wie es die Stämme des Baltikums benutzt hatten, bevor ihnen die Ordensritter das Christentum gebracht hatten. Das mit grellen Farben gemalte Bildnis tauchte aus dem Meer auf â gerade ein paar Schiffslängen vor der Küste der Kurischen Nehrung. Dann näherte es sich, und aus den groÃen, in allen nur erdenklichen Farben des Regenbogens leuchtenden Augen rannen Tränen. Dunkelbraune Tränen, die zu Stein erstarrten und von den Wellen an den Strand gespült wurden: Bernstein â¦
Bester, feinster Bernstein. Manche
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