Die Bernsteinhandlerin
beobachten. Er wird Euch kaum aus eigenen Kräften davonlaufen können. Wenn er dieses Hospital verlässt, dann aller Voraussicht nach auf einem Leichenkarren.«
»Ihr müsst alles tun, damit er am Leben bleibt! Lasst den besten Arzt nach ihm sehen und spart nicht an Medizin und Verbandszeug oder was immer Ihr sonst an Heilmitteln haben mögt! Kauft, wenn Ihr Euch einen Nutzen davon erhofft, meinetwegen auch teures Quecksilber und flöÃt ihm so viel davon ein, wie er vertragen kann!«, ereiferte sich Johannes.
»Wenn er versucht hat, Euch umzubringen, erwartet ihn ohnehin eine schwere Strafe«, erklärte Ambrosia, wobei sich auf ihrer ansonsten vollkommen glatten Stirn eine strenge Linie bildete. »Ich bin selbstverständlich für jedes nur vorstellbare Maà an Barmherzigkeit, und dieses Krankenhaus ist stolz darauf, in seiner gesamten Geschichte noch nie auch nur einen einzigen Leidenden abgewiesen zu haben â sei er nun arm oder reich gewesen! Aber einem Mann, der ohnehin des Todes ist, noch so viele Bemühungen zuteil werden zu lassen erscheint mir, ehrlich gesagt, nicht besonders sinnvoll. Zumal, wenn gleichzeitig jemand anders vielleicht unsere Hilfe sehr viel dringender brauchte.«
»Er muss am Leben bleiben«, beharrte Johannes. »Sonst erfahre ich nie, wer ihn geschickt hat!«
»Und so etwas nennt Ihr Barmherzigkeit?«, fragte Ambrosia mit einem zweifelnden Gesicht.
Später stand Johannes mit Halbschwester Ambrosia am Bett des Mannes, der vorgehabt hatte, ihm das Leben zu nehmen. Dessen Blutungen kamen nicht zum Stillstand und durchnässten innerhalb kürzester Zeit alle Verbände. Johannes hörte, wie der Medicus, der sich im Status eines graumanteligen Sariantbruders befand, einem der pflegenden Halbkreuzler zuflüsterte, dass es gewiss bald zu Ende ginge. »Sein Leben liegt in Gottes Hand.«
»Dann helft mir, für ihn zu beten«, bat Johannes.
Ambrosia neigte das Haupt und nickte schlieÃlich auf eine sehr wissende Art und Weise. »Dann lasst es uns gemeinsam tun, und der Herr wird es uns sicher als gutes Werk anrechnen, wenn unsere Seelen einst beim Jüngsten Gericht gewogen werden.«
Diesem Anliegen konnte sich Johannes von Werndorf nicht entziehen, und so beteten sie miteinander für die Seele und den Leib des sündigen Bösewichts. Johannes sorgte dafür, dass Tag und Nacht eine Wache an seinem Bett stand, die er persönlich ausgesucht hatte. Der Inspector des Hochmeisters wählte zu diesem Dienst Ritterbrüder aus den Reihen jener Männer, die für den Ritt nach Livland vorgesehen waren.
Seine Versuche, mit dem schwer Getroffenen zu sprechen, scheiterten kläglich daran, dass dieser nicht mehr zu klarem Verstand erwachte. Ein paar wirre Worte, das war alles, was ihm zu entlocken war, und selbst die Folter wäre wohl nicht in der Lage gewesen, mehr an den Tag zu bringen. Immerhin hatte Johannes inzwischen den Namen des Mannes erfahren: Er hieà Rudolf und war unter verschiedenen Nachnamen in der Gegend bekannt. Viele Jahre lang hatte er als Wächter und Burgmann völlig untadelig dem Orden gedient, ohne allerdings jemals dessen Mitglied geworden zu sein oder eines der Gelübde abgelegt zu haben.
Rudolf verfiel in einen fiebrigen, unruhigen Schlaf, aus dem er nicht mehr erwachte.
»Somit hat er seine Strafe im Leben erhalten«, äuÃerte Ambrosia gegenüber Johannes. »Sein Tod ist gnädig gewesen, aber das Gericht, das ihn im Himmel erwartet, wird es gewiss nicht sein!«
»Letztlich mag er froh sein, dass nicht Ihr diesem Gericht vorsitzt«, murmelte Johannes düster und mit beiÃendem Spott, sodass die pflegende Halbschwester sichtlich erschrak.
Johannes konnte seinen Zorn nicht länger verbergen. Der Tod dieses Mannes hatte der Gerechtigkeit des Herrn entsprochen, Johannes fühlte sich jedoch in gewisser Weise mitbestraft, denn nun würde es sehr schwer werden herauszufinden, wer dieses willige Werkzeug des Todes geschickt hatte.
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Wie die auf der Marienburg geführten Unterlagen auswiesen, war der Wächter Rudolf verheiratet und hatte eine Familie.
Deshalb machte sich Johannes von Werndorf auf, um dieser Familie die für sie traurige Nachricht vom Ableben ihres Ernährers zu überbringen und vielleicht sogar noch etwas über den Vorfall in Erfahrung zu bringen. Dabei lieà er sich vom Ritterbruder Svante Nybrad aus Lund
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