Die Bernsteinhandlerin
begleiten, der die Marienburg am Vortag mit einer eintägigen Verspätung erreicht hatte. Den Dänen hatte sich Johannes deswegen herausgesucht, um ihn bei dieser Gelegenheit ein wenig kennen zu lernen und einen Eindruck seines Charakters zu erhalten, denn schlieÃlich war Svante der einzige der ihm zugeteilten Brüder, dem er bislang noch nie persönlich begegnet war.
Der Däne war hochgewachsen und breitschultrig. Das rotblonde Haar erinnerte an den Schein einer flammenden Kerzenfackel. Sein dichter Bart und die buschigen Augenbrauen
verdeckten den GroÃteil seines Gesichts, aber sein Blick wirkte ruhig und vertrauenerweckend.
»Stellt mir keine Fragen, sondern begleitet mich einfach und sorgt nötigenfalls für meinen Schutz«, verlangte Johannes.
»Da mich der Hochmeister Euch unterstellt hat, will ich das tun, auch wenn diese ganze bisherige Reise mir ein Rätsel ist und ich mir nicht denken kann, dass es einen triftigen Grund geben sollte, aus dem ich zur Marienburg beordert worden bin.«
»Seid versichert, es gibt einen solchen Grund«, erklärte Johannes. »Und zu gegebener Zeit werdet Ihr ihn erfahren.«
Nachdem sie die Burg verlassen hatten, ritten beide durch die engen StraÃen der Stadt, die sich um die Burg herum an den Ufern der Nogat, eines Mündungsarms der Weichsel, herausgebildet hatte.
»Ãberall in PreuÃen sollen die Städte inzwischen gegen uns aufgebracht sein«, meinte Svante Nybrad, während sie ihre Rösser durch die belebten Gassen drängten. Es war Markttag, und so herrschte überall ein reges Treiben.
»Das ist leider wahr«, bestätigte Johannes. »Doch hier an der Marienburg ist das zum Glück noch anders.«
»Gehört Marienburg nicht ebenfalls zum sogenannten Bund gegen Gewalt, den ich eher einen Bund für Gewalt nennen würde? In Elbing, Thorn oder Danzig hat doch selbst eine Ordensburg mitten in der Stadt diese Dummköpfe in den Räten nicht daran gehindert, sich gegen die zu stellen, die ihr Sicherheit garantieren!«
»Ein gewisser Bartholomäus Blume ist hier Bürgermeister â und der ist in diesen Dingen zum Glück anderer Ansicht und steht voll und ganz hinter dem Orden«, gab Johannes zurück. Sie kamen am Rathaus vorbei, dessen Pracht sich zwar keinesfalls
mit jener des Hochmeisterpalastes messen konnte, aber gleichwohl bezeugte, dass vor den Toren der Marienburg ein wachsender Bürgerstolz um sich gegriffen hatte. Ein Stolz, der sich vielerorts in dem Bestreben äuÃerte, eigene Gesetze erlassen zu dürfen und vor allem den Handel mit begehrten Waren ausschlieÃlich in eigener Herrlichkeit und zu eigenem Gewinn durchführen zu können.
»Das ganze Land gleicht einem Fass mit schlecht gemischtem Pulver, bei dem man nie weiÃ, wann es einem um die Ohren fliegt!«, gab Svante seiner Sorge Ausdruck. »Auf dem langen Ritt, den ich hinter mir habe, ist mir das sehr schmerzlich bewusst geworden.«
»Dann sollte sich das Hauptkapitel bemühen, lieber jemanden mit Eurer Voraussicht für höhere Aufgaben zu bestimmen als die Schädel von Ordensfeinden mit dem Schwert zu spalten«, urteilte Johannes unwirsch, um die Unterhaltung erst einmal zu beenden. Denn weder hatte er die Absicht, sich weitergehend zu diesen Dingen zu äuÃern, noch fand er, dass es besonders hilfreich sei, nur die allgemeine Lage zu beklagen.
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Zu guter Letzt gelangten sie in die Bereiche der Stadt, wo sich die einfacheren Quartiere befanden. Hier lebten hauptsächlich Tagelöhner und Fischer, aber auch Fuhrleute und Ziegelbrenner, die sich erst in den letzten hundertfünfzig Jahren in groÃer Zahl in diesem Gebiet angesiedelt hatten, da der Bau der Marienburg ihnen fortwährend Arbeit und Lohn garantierte. Immer wieder hatte es weitere Anbauten gegeben, und obwohl sich der Orden zurzeit gezwungen sah, seine finanziellen Mittel eher anderweitig zu konzentrieren, konnte man doch für die Zukunft davon ausgehen, dass die rote Ziegelsteinburg ihre endgültige Erscheinung noch keineswegs gefunden hatte.
Johannes blieb nichts anderes übrig, als sich unter den Bewohnern
dieser zum Teil sogar namenlosen StraÃen durchzufragen, bis sie schlieÃlich ein einfaches Haus erreichten.
Dort stieg er aus dem Sattel, und Svante folgte seinem Beispiel. Einige Dutzend Frauen und Kinder beäugten sie von allen Seiten. Ein Hund kläffte, und Mütter
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