Die Bernsteinhandlerin
er die Tür erreichte, drehte er sich noch einmal um. »Sagt Euch die Bezeichnung Schwertbrüderorden etwas?«
»Ehrlich gesagt, nein«, gestand Johannes.
»Die Schwertbrüder waren die Ersten, die im Ostseeland zu missionieren begannen. Indes, sie waren nicht besonders erfolgreich. Die Heiden haben nach und nach den gröÃten Teil von ihnen vernichtet â und der Rest hat sich schlieÃlich dem Deutschen Orden angeschlossen. Es blieb ihnen zu dieser Zeit auch gar nichts anderes übrig ⦠Man erzählt, dass manche von ihnen das nie verwunden hätten und noch lange davon träumten, sich wieder vom Orden zu lösen und eine Gemeinschaft im Geist der alten Schwertbrüder wiederaufleben zu lassen.«
»Aber das muss Jahrhunderte her sein!«
»Die Schwertbrüder hatten über ihr eigenes Leben hinaus gedacht â so, wie wir es tun. Und ihre Traditionen haben innerhalb des Ordens stets weiterexistiert, daran gibt es keinen Zweifel! Wer vermag schon zu sagen, was in den Weiten Livlands alles vor sich geht? Es leben nicht sehr viele Menschen dort, verglichen mit den Landen des Heiligen Römischen Reichs.«
»Was wollt Ihr mir damit sagen?«, fragte Johannes.
»Falls Ihr den Auftrag habt, nach jemandem zu suchen, der ein starkes Interesse daran hat, den Bernsteinschmuggel nach Kräften zu fördern und dabei einen Teil der eigentlich dem Orden zustehenden Gewinne abzuzweigen, könnte dies das Werk von ebenjenen Männern sein, die den alten Geist des Schwertbrüderordens wiederaufleben lassen wollen. Mag sein,
dass dessen Ende bereits so lange her ist, dass nicht einmal jemand wie Ihr davon etwas gehört hat â doch je stärker die Sitten in unserer Gemeinschaft verfallen, desto mehr werden diejenigen in unseren Reihen an Zustrom gewinnen, die von alten Zeiten träumen.«
»Es ist mir leider nicht gestattet, Eure Ausführungen zu kommentieren«, gab Johannes zu verstehen und deutete eine Verbeugung an.
Der Tressler lächelte schief und auf eine Weise, die ihn nicht gerade vertrauenerweckender erscheinen lieÃ. »Ich verstehe durchaus«, behauptete er. »Aber denkt vielleicht irgendwann darüber nach, wem eigentlich Euer Gehorsam gilt oder gelten sollte.«
»Dem Hochmeister! Daran sollte es auch bei Euch keinen Zweifel geben«, erwiderte Johannes.
»Nicht dem Papst und dem Orden als Ganzem?«
»Für mich ist das dasselbe.«
»Falls Ihr eines schönen Tages dennoch das Gefühl haben solltet, dass dies für Euch nicht mehr zutrifft, so wendet Euch vertrauensvoll an mich â¦Â«
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Johannes von Werndorf bekam für die nächsten Tage groÃzügige Räumlichkeiten innerhalb des Donjons zugewiesen.
Dorthin nahm er einige der Dokumente mit, die er prüfen wollte. Ansonsten wartete er auf das Eintreffen der restlichen Ordensritter, die an dem Ritt nach Livland beteiligt sein sollten. Insgesamt fünf Ritterbrüder fehlten noch für dieses Aufgebot, darunter auch Svante Nybrad aus der Stadt Lund in Schonen.
Johannes von Werndorf drängte es, endlich aufzubrechen, denn er hatte das Gefühl, auf der Marienburg nicht mehr erfahren zu können, als er inzwischen schon wusste.
Seltsamerweise fehlten von einem Tag auf den anderen ganze Jahrgänge bei den Listen über die Bernsteineinnahmen, und noch dazu betraf dies vor allem die Listen über Livland. Sie waren schlichtweg nicht mehr auffindbar. Angeblich konnte der Tressler ebenso wenig zur Aufklärung beitragen wie alle anderen, die damit mittelbar oder unmittelbar zu tun hatten.
Jakob zu Ladbergen wollte sich sogar damit herausreden, dass es dafür keine Einnahmelisten geben könne, da zu dieser Zeit im Ordensland noch Steuerfreiheit gegolten und man schlieÃlich gerade mit diesem Merkmal Siedler angelockt habe.
Diese Zeiten waren natürlich vorbei, und Johannes hatte sich längst tief genug in die Materie eingearbeitet, um zu wissen, dass dies für den vom Orden stets unter strenger Kontrolle gehaltenen Bernsteinhandel niemals Geltung gehabt hatte.
An der Tatsache, dass die Dokumente verschwunden blieben, änderte das jedoch nichts, und Johannes argwöhnte infolgedessen, dass der geheimnisvolle Ring der schwarzen Kreuze, von dem überall gemunkelt wurde, womöglich auch auf der Marienburg seit längerem seine Helfershelfer hatte.
Der Hochmeister tauschte indessen zum dritten Mal in seiner
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