Die Beschenkte
aus«, sagte Katsa, als sie fertig war und Bitterblue sie anprobierte. »Aber Eitelkeit gehört wohl kaum zu deinen Eigenschaften, Prinzessin.«
»Sie riecht komisch«, sagte Bitterblue, »aber sie ist warm.«
Das war, was Katsa hören wollte.
Das Gelände wurde rauer, das Gestrüpp wilder und spärlicher. Wenn nachts das Feuer brannte und Bitterblue schlief, hörte Katsa Geräusche rund um ihr Lager, die sie noch nie gehört hatte, ein Rascheln, von dem das Pferd nervös wurde, und manchmal Geheul, nicht sehr weit entfernt, das Bitterblue weckte und sie schaudernd zu Katsa kommen und Albträume gestehen ließ. Sie träume von seltsamen heulenden Ungeheuern und manchmal von ihrer Mutter, sagte sie und wollte offenbar nicht mehr erzählen. Katsa bedrängte sie nicht.
In einer dieser Nächte, als das Wolfsgeheul Bitterblue zu Katsa trieb, legte Katsa den Stock weg, aus dem sie einen Pfeil schnitzte, und schlang den Arm um das Mädchen. Sie rieb Bitterblues aufgesprungene Hände warm. Und dann erzählte sie dem Kind von Raffin, weil sie gerade an ihn dachte, von ihrem Cousin, der die Kunst der Medizin liebte und ein zehnmal besserer König werden würde als sein Vater, und von Helda, die sich mit ihr angefreundet hatte, als niemand sonst das wollte, und nur daran dachte, dass sie irgendeinen Lord heiraten solle. Sie berichtete vom Rat und von der Nacht, in der sie mit Oll und Giddon Bitterblues Großvater gerettet hatte, sie erzählte, wie sie in Murgons Garten mit einem Fremden gekämpft und ihn bewusstlos am Boden liegen gelassen hatte – einen Fremden, der Bo war.
Darüber lachte Bitterblue, und Katsa erzählte ihr, wie sie und Bo Freunde geworden waren, wie Raffin ihren Großvater wieder gesund gepflegt hatte und wie sie und Bo nach Sunder gereist waren, um die Wahrheit über die Entführung herauszufinden, und dann den Hinweisen nach Monsea gefolgt waren, in die Berge, in den Wald und zu dem Mädchen.
»Du bist gar nicht wie die Person in den Geschichten«,sagte Bitterblue, »den Geschichten, die ich gehört habe, bevor ich dir begegnet bin.«
Katsa wappnete sich gegen die Flut von Erinnerungen, die anscheinend nie ihre Lebendigkeit verloren und sie immer beschämten. »Die Geschichten sind wahr«, sagte sie. »Ich bin diese Person.«
»Aber wie ist das möglich? Du würdest doch nicht einem Unschuldigen den Arm brechen oder die Finger abschneiden!«
»Für meinen Onkel habe ich so etwas getan«, sagte Katsa, »als er noch Macht über mich hatte.«
Und Katsa war wieder sicher, dass sie das Richtige taten, wenn sie zu Grellas Pass hinaufkletterten, an den einzigen Ort, zu dem Leck ihnen nicht folgen würde. Weil sie Bitterblue nur schützen konnte, wenn ihre Macht ihr allein gehörte. Sie legte den Arm fester um das Mädchen. »Du solltest wissen, dass meine Gabe nicht nur das Kämpfen ist. Meine Gabe ist das Überleben. Ich werde dich über diese Berge bringen.«
Das Kind antwortete nicht, legte aber den Kopf auf Katsas Schoß, den Arm um Katsas Bein und kuschelte sich an sie. So schlief Bitterblue ein, während die Wölfe heulten, und Katsa beschloss, ihre Schnitzerei ruhenzulassen. Sie dösten gemeinsam am Feuer, und als Katsa erwachte, hob sie das Mädchen auf das Pferd. Sie nahm die Zügel und führte das Tier hinauf durch die Nacht von Monsea.
Es kam der Tag, an dem das Gelände für das Pferd unpassierbar wurde. Katsa wollte es nicht töten, zwang sich aber, darüber nachzudenken. Sie konnte Leder von ihm gewinnen.Und wenn es am Leben blieb, würde es über die Hügel wandern und den Soldaten, die es fanden, einen Hinweis auf den Verbleib der Flüchtlinge geben. Andererseits konnte Katsa, wenn sie das Pferd tötete, nicht seinen ganzen Körper verwerten. Sie würden den Kadaver für die Aasgeier am Berg liegen lassen, und wenn Soldaten die sauber abgenagten Knochen fanden, wären sie ein viel deutlicheres Zeichen für ihren Aufenthaltsort und ihr Ziel als ein Pferd, das frei umherlief. Katsa beschloss mit einer gewissen Erleichterung, dass das Pferd weiterleben musste. Sie nahmen ihm die Taschen, den Sattel und das Zaumzeug ab, wünschten ihm alles Gute und schickten es fort.
Jetzt kletterten sie mit ihren eigenen Händen und Füßen. Katsa half Bitterblue die steilsten Hänge hinauf und hob sie auf Felsen, die für sie zu groß zum Erklettern waren. Zum Glück hatte Bitterblue an dem Tag, als sie an zusammengeknoteten Leintüchern die Mauern ihres Schlosses hinuntergeglitten war, gute Stiefel
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