Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
Vom Netzwerk:
gegen eine einzige Karotte tauschen. Oder eine Kartoffel. Kannst du dir vorstellen, welcher Luxus es sein wird, in einem Gasthof zu essen, wenn wir erst mal in Sunder sind, Prinzessin?«
    Bitterblue schaute ihr nur zu, kaute Löwenfleisch und antwortete nicht. Der Wind heulte und der Schneeteppich vor ihrer Höhle war dicker geworden. Katsa schoss einen weiteren Probepfeil in den Baum, stapfte hinaus in den Sturm und holte ihn zurück. Als sie wieder im Lager war und ihre Stiefel gegen die Felswände schlug, um den Schnee abzuschütteln, bemerkte sie, dass Bitterblue sie immer noch beobachtete.
    »Was ist, Kind?«
    Bitterblue schüttelte den Kopf. Sie kaute ein Stück Fleisch und schluckte, nahm ein Steak vom Feuer und reichte es Katsa. »Du verhältst dich nicht, als wärst du besonders verletzt.«
    Katsa zuckte die Schultern, biss ins Löwenfleisch und zog die Nase kraus.
    »Ich habe auch von Brot fantasiert«, sagte Bitterblue.
    Katsa lachte. Sie saßen freundschaftlich zusammen, das Kind und die Löwentöterin, und horchten auf den Sturm, der den Schnee vor ihre Berghöhle trieb.

Bitterblue war erschöpft. In dem Löwenfell war ihr jetzt wärmer, doch sie konnte nicht mehr. Es waren der nie endende, mühselige Weg aufwärts und die Steine, die unter ihren Füßen wegrutschten und sie zurückzogen, wenn sie versuchte vorwärtszukommen. Es war der steile Felshang, den sie nicht hinaufklettern konnte, wenn Katsa sie nicht von hinten schob, und es war das hoffnungslose Wissen, dass oberhalb von diesem Hang ein weiterer, genauso steiler war, oder ein weiterer Fluss aus Steinen, die hinabglitten, während sie versuchte hinaufzuklettern. Es war der Schnee, der ihre Stiefel durchweichte, und der Wind, der sich in die Ritzen ihrer Kleidung stahl. Und es waren die Wölfe und Raubkatzen, die immer so plötzlich auftauchten und sabbernd und brüllend über Felsen auf sie zustürzten. Katsa war schnell mit ihrem Bogen; die Tiere waren immer tot, bevor sie in ihre Reichweite kamen, manchmal bevor Bitterblue auch nur gemerkt hatte, dass sie da waren. Aber Katsa sah, wie lange es nach jedem brüllenden Angriff dauerte, bis Bitterblue wieder ruhig und gleichmäßig atmete, und sie wusste, dass die Müdigkeit des Mädchens nicht nur von ihrer körperlichen Erschöpfung kam, sondern auch von ihrer Angst.
    Katsa konnte es kaum ertragen, ihr Tempo noch mehr zu drosseln. Doch sie tat es, weil sie es musste. »Seine Rettung hat keinen Sinn, wenn er dabei umkommt«, hatte Oll in der Nacht gesagt, in der sie Großvater Tealiff gerettet hatten. Wenn Bitterblue in diesen Bergen zusammenbrach, wäre Katsa dafür verantwortlich.
    Es schneite nun heftig, fast ununterbrochen, und deshalb gingen sie jetzt auch dann weiter, wenn es schneite. Katsa wickelte Bitterblues Hände in Pelze und ebenso ihr Gesicht, so dass nur die Augen herausschauten. Sie wusste von der Landkarte, dass es an Grellas Pass keine Bäume gab. Bevor sie diesen hohen, windigen Weg zwischen den Gipfeln erreichten, würde der Baumwuchs aufhören. Und so fing sie an, Schneeschuhe zu machen, falls sie sie später an einem Ort brauchte, an dem es kein Holz dafür gab. Sie würde nur ein Paar machen – sie wusste nicht, wie das Gelände am Pass aussehen würde, doch sie hatte eine Vorstellung von dem Wind und der Kälte. Dort würden sie nicht langsam gehen können, wenn sie nicht erfrieren wollten, und sie nahm an, dass sie das Kind tragen würde.
    Nachts sank Bitterblue sofort erschöpft in den Schlaf, manchmal wimmerte sie, als hätte sie schlechte Träume. Katsa wachte über sie und hielt das Feuer lebendig. Sie fügte Holzstäbe aneinander und versuchte nicht an Bo zu denken. Meistens gelang es ihr nicht.
    Ihre Wunden heilten gut. Die kleineren waren kaum mehr zu sehen und selbst die größeren hatten nach ein paar Stunden nicht mehr geblutet. Sie waren nur noch etwas lästig, weil die Beutel, die sie trug, daran zogen und die halb fertigen Schneeschuhe dagegenschlugen. Ihre Schulter und ihreBrust spürte sie jedes Mal, wenn sie rasch in den Köcher auf ihrem Rücken griff, den Köcher, den sie aus einem Stück Sattelleder gemacht hatte. An Schulter und Brust, möglicherweise auch an den Schenkeln würde sie Narben zurückbehalten. Aber das würden die einzigen Zeichen sein, die der Berglöwe auf ihrem Körper hinterlassen hatte.
    Wenn sie mit den Schneeschuhen fertig war, wollte sie als Nächstes eine Art Tragehilfe basteln, sie wusste schließlich, dass sie Bitterblue

Weitere Kostenlose Bücher