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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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tragen würde. Sie stellte sich eine Konstruktion aus Riemen und Schnüren vor, aus dem Pferdezaum gemacht, damit sie die Arme zum Schießen frei hatte, während sie Bitterblue trug. Und dann vielleicht noch eine Jacke für sich selbst, jetzt, wo Bitterblue es wärmer hatte. Eine Jacke vom nächsten Wolf oder Berglöwen, dem sie begegneten.
    Und jede Nacht, wenn das Feuer geschürt und ihre Arbeit getan war und die Gedanken an Bo ihr so nahe kamen, dass sie ihnen nicht entfliehen konnte, schmiegte sie sich an Bitterblue und schlief ein paar Stunden lang.
    Als Katsa feststellte, dass sie nachts selbst schaudernd einschlief, sich Kopf und Hals mit Fellen umwickelte und die Taubheit aus den Füßen stampfte, nahm sie an, dass sie Grellas Pass bald erreicht hatten. Denn an diesem Pass würde es noch kälter sein und sie glaubte nicht, dass die Welt noch viel kälter werden könnte.
    Sie bekam Angst um die Finger und Zehen des Kindes und um ihre Haut im Gesicht. Oft blieb sie stehen und massierte Bitterblues Hände und Füße. Bitterblue redete nicht und kletterte müde und wie betäubt immer weiter, doch ihr Geistwar wach. Auf Katsas Fragen nickte sie oder schüttelte den Kopf. Sie schlang die Arme um Katsa, wenn die Gefährtin sie hochhob oder trug. Sie weinte erleichtert, wenn ihr nächtliches Feuer sie wärmte. Sie weinte vor Schmerz, wenn Katsa sie morgens in der Kälte weckte.
    Sie mussten ganz einfach nahe Grellas Pass sein, denn Katsa war nicht sicher, wie viel das Kind noch ertragen konnte.
    Eines Morgens brach ein Eissturm los, als sie zwischen Bäumen und Gestrüpp hindurchkletterten. Den größeren Teil des Morgens sahen sie kaum etwas, sie hatten die Köpfe in den Wind gesenkt, die Körper wurden von Schnee und Eis gepeitscht. Katsa hatte den Arm um das Kind gelegt wie immer in Stürmen und folgte ihrem starken Richtungssinn hinauf und nach Westen. Nach einiger Zeit merkte sie, dass der Pfad nicht mehr so steil war und sie nicht länger über Baumwurzeln oder Berggestrüpp stolperte. Ihre Füße waren schwer, als läge der Schnee höher und sie müsste hindurchstapfen.
    Als der Sturm so plötzlich aufhörte, wie er begonnen hatte, war die Landschaft verändert. Sie standen am Fuß eines langen, glatten, schneebedeckten Hangs ohne jede Vegetation; der Wind wirbelte Eiskristalle von der Oberfläche auf und tanzte mit ihnen empor in den Himmel. In einiger Entfernung ragten zu beiden Seiten des Hangs zwei schwarze Felsmassive auf.
    Das Weiß blendete, der Himmel war so nah und so intensiv blau, dass Bitterblue die Augen mit der Hand abschirmte. Grellas Pass: Hier gab es keine Tiere abzuwehren, keine Felsbrocken oder Gestrüpp zu umgehen. Nur eine einfache ansteigende Fläche mit sauberem Schnee, über die sie gehen mussten, direkt über die Bergkette und hinunter nach Sunder.
    Es sah fast friedlich aus.
    Eine Warnung begann in Katsas Kopf zu summen und dann zu lärmen. Sie beobachtete die Schneewirbel, die über den Pass fegten. Zum einen würde die Entfernung größer sein, als sie aussah. Zum anderen gab es keinen Schutz vor dem Wind. Und der Hang würde auch nicht so glatt sein, wie er von hier aus wirkte, wenn die Sonne darauf schien. Und wenn es stürmte, würde es ein Sturm sein, der zu diesen Berggipfeln passte, wo kein Geschöpf überlebte und nur Fels oder Eis überdauern konnten.
    Katsa wischte den Schnee aus den Fellen des Mädchens und brach Eisstückchen aus der Umhüllung von Bitterblues Gesicht. Sie nahm die Schneeschuhe vom Rücken, trat hinein, wickelte die Riemen um Füße und Knöchel und band sie fest. Dann entwirrte sie das Tragegeschirr, das sie gemacht hatte, und half dem Kind hinein, ein müdes Bein nach dem anderen. Bitterblue protestierte nicht, bat um keinerlei Erklärung. Sie bewegte sich unbeholfen. Katsa beugte sich zu ihr, fasste sie am Kinn und schaute ihr in die Augen.
    »Bitterblue!«, sagte sie. »Bitterblue! Du musst wach bleiben. Ich werde dich tragen, aber nur weil wir schnell weiterkommen müssen. Du musst wach bleiben. Wenn ich das Gefühl habe, du schläfst ein, setze ich dich ab und zwinge dich zu gehen. Verstehst du? Ich werde dich zwingen zu gehen, Prinzessin, egal wie schwer das für dich ist.«
    »Ich bin müde«, flüsterte das Kind, und Katsa packte es an den Schultern und schüttelte es.
    »Es ist mir gleichgültig, wie müde du bist. Du wirst tun, was ich dir sage. Du wirst deine ganze Kraft zum Wachbleiben brauchen. Hast du verstanden?«
    »Ich will nicht

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