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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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Sie hatten ein Feuer.
    Katsa hockte sich schaudernd davor, beobachtete die Flammen und ignorierte entschlossen die Schmerzen, die sich in ihren Fingern und Füßen ausbreiteten. »Nein«, flüsterte sie, als Bitterblue aufstand und mehr Feuerholz suchen wollte. »Wärme dich erst. Bleib hier und wärme dich erst.«
    Katsa schichtete langsam das Feuer auf, und während es wuchs, legte sich ihr Zittern. Sie betrachtete das Mädchen, das auf dem Boden saß, die Arme um die Beine geschlungen, die Augen geschlossen, das Gesicht auf den Knien. Ihre Wangen waren voller Tränenspuren. Sie lebte.
    »Was bin ich für eine Idiotin«, flüsterte Katsa. »Was bin ich für eine Idiotin.« Sie zwang sich auf die Füße und schob sichvon Baum zu Baum, während sie Holz sammelte. Die Knochen taten ihr weh, Hände und Füße schienen vor Schmerz zu schreien. Doch vielleicht war es nur gut, dass sie so idiotisch gewesen war, denn wenn sie gewusst hätte, wie schwer es sein würde, hätte sie es vielleicht nicht getan.
    Sie ging zurück und legte mehr Holz aufs Feuer. Heute Nacht würde es riesig sein, ein Feuer, das ganz Sunder sehen konnte. Sie schleppte sich zu Bitterblue, nahm ihre Hände und betrachtete prüfend die Finger des Mädchens. »Kannst du sie spüren?«, fragte sie. »Kannst du sie bewegen?«
    Bitterblue nickte. Katsa zerrte an den Taschen und durchwühlte sie, bis sie die Arzneien fand. Sie massierte dem Mädchen Raffins heilende Salbe in die aufgesprungenen, blutenden Hände. »Jetzt lass mich deine Füße sehen, Prinzessin.« Sie rieb Wärme in die Zehen des Mädchens und zog ihr die Stiefel wieder an.
    »Du hast Grellas Pass bezwungen«, sagte sie zu Bitterblue, »und bist noch immer am Leben. Du bist ein starkes Mädchen.«
    Bitterblue schlang die Arme um Katsa, küsste sie auf die Wangen und drückte sie fest an sich. Wenn Katsa genug Energie zum Staunen gehabt hätte, wäre sie erstaunt gewesen. So umarmte sie das Mädchen einfach nur benommen.  
    Katsa und Bitterblue hielten einander fest und krochen zurück zum wärmenden Feuer. Als sich Katsa an diesem Abend mit dem Kind in den Armen vor das prasselnde Feuer legte, konnten noch nicht einmal die Schmerzen in ihren Händen und Füßen sie wach halten.

Teil drei
    Die sich wandelnde Welt

Der Gasthof lag, nach dem Sprachgebrauch hier im Süden von Sunder, auf einer Lichtung, die anderswo als Wald bezeichnet würde. Zwischen Eichen und Ahornbäumen war Raum für den Gasthof, einen Stall, eine Scheune, einen kleinen Garten und genug freie Sicht zum Himmel, dass das Sonnenlicht die umgebenden Bäume in den Fenstern der Gebäude spiegeln konnte.
    Im Gasthof war nicht viel Betrieb, er war aber auch nicht leer. Der Verkehr durch Sunder war immer ziemlich konstant, sogar im Winter am Rande der Berge. Zugpferde brachten Fässer mit Apfelmost aus Monsea, Holz aus den Wäldern von Sunder oder Eis aus Sunders östlichen Bergen nach Norden. Kaufleute transportierten Tomaten, Trauben, Aprikosen und Schmuck aus Lienid sowie Fische, die es nur in den Meeren von Lienid nördlich der Hafenstädte von Sunder gab, hinauf in die Middluns, nach Wester, Nander und Estill. Und aus dem Süden dieser Königreiche kamen Süßwasserfische, Getreide und Heu, Kartoffeln und Karotten, lauter Dinge, die ein Volk in den Wäldern haben wollte. Und Kräuter, Äpfel, Birnen und Pferde, die auf Schiffe verladen und nach Lienid und Monsea gebracht wurden.
    Ein Händler stand im Hof des Gasthauses neben einem Wagen, der hoch mit Fässern beladen war. Er stampfte mit den Füßen auf und blies sich in die Hände. Die Fässer waren unbeschriftet und der Händler unauffällig: Sein Mantel und die Stiefel waren einfach, alle sechs Pferde trugen weder Brandzeichen noch Schmuck, der anzeigte, aus welchem Königreich sie kamen. Der Wirt stürmte mit seinen Söhnen in den Hof, er deutete auf die Söhne und die Pferde und rief dem Händler etwas zu, sein Atem war in der kalten Luft zu sehen. Der Händler rief etwas zurück, doch nicht laut genug, um zwischen den dichter stehenden Bäumen außerhalb der Lichtung verstanden zu werden, wo Katsa und Bitterblue versteckt zuschauten.
    »Er ist wahrscheinlich aus Monsea«, flüsterte Bitterblue, »er kommt von den Häfen und ist auf dem Weg durch Sunder. Sein Wagen ist voll beladen. Hätte er nicht schon mehr von seiner Ware verkauft, wenn er aus einem der anderen Königreiche wäre? Außer Lienid natürlich – aber er sieht nicht aus wie ein Lienid,

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