Die Beschenkte
etwas über Bitterblues Schutz. »Ja, ich habe sie beschützt.«
»Sagen Sie mir«, dröhnte Lecks Stimme, »wie haben Sie Monsea verlassen? Sind Sie über die Berge gekommen?«
»Ja«, antwortete Katsa.
Leck warf den Kopf zurück und lachte. »Das dachte ich mir, als wir Ihre Spur verloren. Ich hätte beinahe beschlossen, mich zurückzulehnen und abzuwarten. Ich wusste, dass Sie irgendwann wiederauftauchen würden. Doch als ich Nachforschungen anstellte, erfuhr ich, dass Sie an Ihrem eigenen Hof nicht willkommen sind, Lady Katsa. Und es machte mich wahnsinnig, absolut wahnsinnig, herumzusitzen und nichts zu tun, während mein liebes Kind …«, sein Blick ruhte wieder auf Bitterblue und er fuhr sich mit der Hand über den Mund, »während mein Kind von mir getrennt war. Ich beschloss, es darauf ankommen zu lassen. Ich befahl meinen Leuten natürlich, die Suche in allen anderen Königreichen fortzusetzen, aber ich entschied, es in Lienid selbst zu versuchen.«
Katsa schüttelte den Kopf, aber der Nebel in ihrem Hirn wollte nicht weichen. »Sie hätten sich keine Sorgen machen müssen«, sagte sie. »Ich habe sie beschützt.«
»Ja«, sagte Leck. »Und jetzt haben Sie mein Kind zu mir zurückgebracht, direkt an meine Schwelle, in mein Schloss hier an Lienids Westküste.«
»Ihr Schloss«, sagte Katsa benommen. Sie hatte gedacht, das sei Bos Schloss. Oder hatte sie geglaubt, es sei ihr Schloss? Nein, das war absurd, sie war eine Lady aus den Middluns und hatte kein Schloss. Sie musste irgendwie irgendwas missverstanden haben, das irgendwer gesagt hatte.
»Die Zeit ist gekommen, mir mein Kind zurückzugeben«, erklärte Leck.
»Ja.« Aber es beunruhigte Katsa, die Sorge für dieses Mädchen aufzugeben, das nicht mehr kämpfte, sondern sich jetzt hilflos an sie klammerte, Unsinn vor sich hin murmelte und wimmerte. Sie wiederholte Lecks Worte in geflüsterter Verwirrung, als wollte sie erproben, wie sie mit ihrer Stimme klangen.
»Ja«, sagte Katsa wieder. »Das werde ich – aber erst wenn es ihr bessergeht.«
»Nein«, entgegnete Leck. »Bringen Sie mir sofort mein Kind. Ich weiß, wie ich sie gesund machen kann.«
Katsa mochte diesen Mann wirklich nicht. Wie er sie herumkommandierte – und wie er Bitterblue anschaute mit etwas im Blick, das Katsa schon gesehen hatte, ohne sich zu erinnern, wann und wo. Katsa war für Bitterblue verantwortlich. Sie hob das Kinn. »Nein. Sie bleibt bei mir, bis es ihr bessergeht.«
Leck lachte. Er schaute durch den Raum. »Prinzessin Katsa ist immer und überall dagegen«, sagte er. »Aber ich glaube, niemand von uns sollte es ihr übelnehmen, dass sie so fürsorglich ist. Nun, so sei es denn. Ich werde die Gesellschaft meiner Tochter« – sein Blick huschte wieder zu dem Mädchen – »später genießen.«
»Und berichten Sie mir jetzt von meinem Sohn?«, fragte die Frau neben Katsa. »Warum ist er nicht hier? Er ist doch nicht verletzt, oder?«
»Ja«, sagte Leck, »trösten Sie die verängstigte Mutter, Lady Katsa. Erzählen Sie uns von Prinz Bo. Ist er in der Nähe?«
Katsa wandte sich der Frau zu, es verwirrte sie, zu viele Rätsel auf einmal lösen zu wollen. Bestimmt gab es Dinge, die sie ohne weiteres über Bo erzählen konnte, aber solltennicht manche Dinge geheim bleiben? Die Kategorien verschwammen. Vielleicht war es am besten, gar nichts zu sagen. »Ich möchte nicht über Bo sprechen«, sagte sie.
»Nein?«, sagte Leck. »Das trifft sich aber schlecht. Denn ich möchte über Bo sprechen.« Er trommelte einen Moment nachdenklich auf seine Armlehne.
»Er ist ein starker junger Mann, unser Bo«, fuhr er fort. »Stark und tapfer. Der Stolz seiner Familie. Aber er hat seine Geheimnisse, nicht wahr?«
Katsa spürte plötzlich, wie die Nerven in ihren Fingerspitzen prickelten.
Leck beobachtete sie. »Ja, mit Bo gibt es ein Problem, nicht wahr?« Er zog die Augenbrauen zusammen und schürzte die Lippen, dann schien er zu einem Entschluss zu kommen. Er ließ seinen Blick über die verschiedenen Angehörigen aus Bos Familie wandern und strahlte. Dann sagte er liebenswürdig:
»Ich hatte gedacht, ich behalte das für mich. Aber jetzt kommt mir der Gedanke, dass Bo tatsächlich sehr stark ist, und es kann sein, dass er eines Tages auf unserer Schwelle steht. Und vielleicht wäre es zur Vorbereitung auf dieses Ereignis am besten, ich würde euch allen etwas erzählen, das …« – er lächelte kurz – »einen gewissen Einfluss darauf haben könnte, wie ihr
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