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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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ihn empfangt. Denn, wissen Sie, meine verehrte Lady Katsa«, er schaute ihr in die Augen, »ich habe viel über unseren lieben Bo nachgedacht, und ich habe eine Theorie entwickelt, die ihr alle faszinierend, vielleicht auch ein wenig verstörend finden könntet.« Er lächelte in die verwirrten Gesichter um sich herum. »Es ist immer ein wenig verstörend, zu erfahren, dass man hintergangen wurde,und das von einem Familienangehörigen. Und an Ihnen könnte ich meine Theorie erproben, Lady Katsa, denn ich glaube, Sie könnten Prinz Bos Geheimnis kennen.«
    Bos Vater und seine Brüder rutschten auf ihren Stühlen herum und runzelten die Stirn. Katsas Hirn war wie betäubt vor Panik und Verwirrung.
    »Es ist eine Theorie über Prinz Bos Gabe«, sagte Leck.
    Katsa hörte neben sich ein schwaches Keuchen der Frau, die Bos Mutter war. Die Frau machte einen Schritt auf Leck zu, legte eine Hand an die Kehle und sagte: »Warte. Ich weiß nicht …« Sie hielt inne und wandte sich verstört, verängstigt an Katsa. Und Katsa glühte vor Verwirrung und verzweifelter Panik. Sie spürte … sie verstand … ganz schwach erinnerte sie sich beinah noch …
    »Ich glaube, euer Bo hat ein Geheimnis vor euch«, fuhr Leck fort. »Sagen Sie mir, Lady Katsa, ob ich Recht habe, dass Prinz Bo eigentlich …«
    Da, endlich, traf Katsa ein Blitz der Gewissheit. In diesem Augenblick handelte sie. Sie ließ Bitterblue los, riss den Dolch aus ihrem Gürtel und warf. Nicht weil sie sich erinnerte, dass Leck sterben musste. Nicht weil sie sich an Bos wahre Gabe erinnerte. Sondern weil sie sich erinnerte, dass Bo tatsächlich ein Geheimnis hatte, ein schreckliches Geheimnis, dessen Enthüllung ihm auf grässliche Weise schaden würde, die sie tief innen spürte, aber nicht mehr genau wusste – und hier saß dieser Mann mit dem Geheimnis auf der Zunge. Sie musste ihn irgendwie aufhalten, ihn zum Schweigen bringen, bevor die vernichtenden Worte ausgesprochen waren.
    Leck hätte bei seinen Lügen bleiben sollen. Denn was ihn schließlich tötete, war die Wahrheit, die er beinah enthüllte.
    Der Dolch war gut gezielt. Er flog in Lecks offenen Mund und nagelte ihn an seinen Stuhlrücken. Da saß er mit schlaffen Armen und Beinen, das einzige Auge groß und leblos. Blut strömte um den Griff der Klinge und über seine Gewänder. Und jetzt schrien Frauen, Männer brüllten empört und rannten mit gezogenen Schwertern auf Katsa zu, die sofort wusste, dass sie bei diesem Kampf vorsichtig sein musste. Sie durfte Bos Brüder und seinen Vater nicht verletzen. Doch plötzlich hielten sie inne, weil Bitterblue sich mit einem langen Blick auf Leck mühsam aufrichtete.
    Sie stellte sich vor Katsa, zog ihr eigenes Messer aus der Scheide und richtete es zitternd auf die Männer. »Ihr werdet sie nicht anrühren!«, sagte sie. »Katsa hat das Richtige getan.«
    »Kind«, befahl König Ror, »geh zur Seite, wir wollen nicht, dass du Schaden nimmst. Dir geht es nicht gut. Prinzessin Bitterblue, du schützt die Mörderin deines eigenen Vaters.«
    »Mir geht es hervorragend, jetzt, wo er tot ist.« Bitterblues Stimme wurde kräftiger und ihre Hand ruhiger. »Und ich bin keine Prinzessin. Ich bin die Königin von Monsea. Katsas Bestrafung ist meine Sache, und ich sage, sie hat recht getan und ihr werdet sie nicht anrühren.«
    Sie wirkte tatsächlich gesund – sicher im Umgang mit dem Messer in ihrer Hand, beherrscht und sehr entschlossen. Bos Brüder und sein Vater standen im Halbkreis um sie herum, mit erhobenen Schwertern, Ringen an den Fingern und Reifen in den Ohren. Wie sieben Variationen von Bo, dachte Katsa – aber ohne diesen Glanz in den Augen. Sie rieb sich die eigenen Augen. Sie war müde, sie konnte kaum denken. Mehrere Frauen im Hintergrund weinten.
    »Sie hat deinen Vater ermordet«, sagte König Ror noch einmal, doch unsicher. Er hob die Hand an die Stirn und schaute Bitterblue verwirrt an.
    »Mein Vater war böse«, sagte Bitterblue. »Mein Vater hatte die Gabe, Menschen mit seinen Worten zu täuschen. Er hat euch belogen – über den Tod meiner Mutter, meine Krankheit, seine Absichten in Bezug auf mich. Katsa hat mich vor ihm beschützt. Heute hat sie mich endgültig gerettet.«
    Alle Hände hoben sich zu den Köpfen. Alle Augenbrauen waren zusammengezogen, alle Gesichter glichen Masken der Verwirrung.
    »Hat er gesagt – hat Leck gesagt, dass dieses Schloss ihm gehört? Hat er …« Rors Stimme wurde immer leiser, verstummte. Er starrte

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