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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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Lienid waren das alle, und alle redeten auf einmal. Sie wischte sich die Tränen vom Gesicht und kämpfte gegen ihre eigene Verwirrung.
    Als sich der junge Bruder wieder vor Katsa hockte und ihr sein Taschentuch anbot, nahm sie es und starrte ihm verständnislos ins Gesicht. »Glauben Sie, dass es Bo gutgeht?«, fragte er. »Gehen Sie jetzt zurück und holen ihn? Ich würde gern mit Ihnen kommen.«
    Sie wischte sich mit seinem Taschentuch übers Gesicht. »Welcher Bruder sind Sie?«
    Der Bruder lächelte. »Ich bin Skye. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so schnell einen Dolch geworfen hat. Sie sind genau so, wie ich Sie mir vorgestellt habe.«
    Er stand auf und ging zu seinem Vater. Katsa hielt sich den Magen und versuchte den bitteren Geschmack zurückzudrängen, der in ihr hochstieg. Der Nebel von Lecks Gabe verließ sie langsamer als die anderen, und ihr war übel von dem, was sie getan hatte. Ja, Leck war tot und das war gut. Aber sie bereute, dass sie einen Dolch benutzt hatte – einen Dolch  –, um jemanden zum Schweigen zu bringen. Das war gewalttätiger als alle Aufträge, die sie je für Randa ausgeführt hatte. Und sie hatte noch nicht einmal gewusst, was sie tat.
    Sie musste zu Bo. Sie musste es den anderen hier überlassen, die Wahrheit zusammenzusetzen. Die Einzelheiten, die sie auseinandernahmen, diskutierten und über die sie immer weiter stritten, während der Tag in die Nacht überging, waren nicht wichtig. Bitterblue war gerettet, das war wichtig;Bo musste sich allein und krank durch einen Winter in Monsea kämpfen, das war wichtig.
    »Wirst du ihnen von dem Ring erzählen?«, fragte Bitterblue sie später, als Katsa in ihrem Schlafzimmer saß und sich mit müdem Gehirn zwang, ihre Versorgungssituation zu prüfen.
    »Nein«, sagte sie, »das ist nicht nötig. Es wird sie nur beunruhigen. Wenn ich wieder bei Bo bin, werde ich ihm als Erstes den Ring zurückgeben.«
    »Brechen wir sehr früh auf?«
    Katsa schaute das Kind an, das vor ihr stand mit ernstem Gesicht und der Hand am Messer in seinem Gürtel. Die Königin von Monsea, in Hosen und mit kurzem Haar, die für den Rest der Welt aussah wie ein Miniaturpirat.
    »Du musst nicht mitkommen«, sagte Katsa. »Es wird eine anstrengende Reise. Sobald wir Monport erreichen, werden wir sehr schnell weiterziehen, und ich kann nicht aus Rücksicht auf dich langsamer reiten.«
    »Natürlich komme ich mit!«
    »Du bist jetzt die Königin von Monsea. Du kannst ein großes Schiff anfordern und in allem Luxus reisen. Du kannst warten, bis der Winter vorbei ist.«
    »Und hier in Lienid vor Angst umkommen, bis du mich wissenlässt, dass es Bo gutgeht? Natürlich reise ich mit dir.«
    Katsa schaute in ihren Schoß und schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter. Sie wollte nicht zugeben, wie sehr es sie tröstete, Bitterblue auf dieser Reise dabeizuhaben. »Wir fahren bei Tagesanbruch los«, sagte sie, »auf einem Schiff, das Ror aus einem nahen Dorf organisiert hat. Auf See treffen wir Kapitänin Faun und ergänzen die Vorräte auf ihrem Schiff, mit dem sie uns dann nach Monport bringt.«
    Bitterblue nickte. »Dann nehme ich jetzt ein Bad und gehe schlafen. Wo kann ich jemanden finden, der mir heißes Wasser bringt?«
    Katsa lächelte. »Du brauchst nur zu läuten, Majestät! Ich glaube, Bos Dienstboten sind momentan ein wenig überfordert, aber zur Königin von Monsea kommt sicher jemand.«
    Es war Bos Mutter, die kam. Sie holte eine Dienerin, die Bitterblue in einen anderen Raum brachte, etwas über die Wassertemperatur murmelte und mit den Armen voller Handtücher so gut wie möglich zu knicksen versuchte.
    Bos Mutter blieb und setzte sich neben Katsa aufs Bett. Sie faltete die Hände im Schoß, wobei die Ringe an ihren Fingern im Licht des Kaminfeuers schimmerten und Katsas Blicke auf sich zogen.
    »Bo hat mir erzählt, dass Sie neunzehn Ringe tragen«, hörte Katsa sich sagen. Sie holte tief Luft, griff sich an die Stirn und versuchte zum hundertsten Mal, das Bild aus ihrem Kopf zu drängen, wie Leck durch ihren Dolch an seinen Stuhl genagelt war.
    Die Königin spreizte die Finger und betrachtete ihre Ringe. Dann faltete sie wieder die Hände und schaute Katsa aus den Augenwinkeln an. »Die anderen glauben, Sie hätten sich plötzlich an die Wahrheit über Leck erinnert. Sie meinen, Sie hätten sich plötzlich erinnert und ihn sofort zum Verstummen gebracht, bevor seine Lügen Sie wieder alles vergessen ließen. Und vielleicht stimmt das auch. Aber

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