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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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niemand mithören konnte. »Was ist los, Bo? Hast du Angst vor mir?«
    »Ja, ich fürchte dich, wenn du wütend bist, und das mit Recht. Ich kämpfe nicht mit dir, wenn du wütend bist. Du solltest auch nicht mit mir kämpfen, wenn ich wütend bin. Das ist nicht der Sinn dieses Trainings.«
    Und als er es aussprach, dass sie wütend war, merkte sie, dass es stimmte; und genauso rasch verwandelte sich ihre Wut in Verzweiflung. Randa würde sie wieder mit einem brutalen Auftrag losschicken. Er würde ihr befehlen, irgendeinen armen kleinen Missetäter zu quälen, einen Dummkopf, der es nicht verdiente, seine Finger zu verlieren, selbst wenn er ehrlos war. Randa würde es ihr befehlen und sie musste gehorchen, denn er hatte die Macht.
    Sie aßen in ihrem Esszimmer. Katsa starrte auf ihren Teller, während Bo von seinen Brüdern redete, wie liebend gern sie ihr Training sehen würden. Katsa sollte eines Tages nach Lienid kommen und vor seiner Familie mit ihm kämpfen. SeineAngehörigen würden staunen über ihr Geschick, ihr große Hochachtung erweisen, und er könnte ihr die schönsten Sehenswürdigkeiten in der Stadt seines Vaters zeigen.
    Katsa hörte nicht zu. Sie sah die Arme vor sich, die sie für ihren Onkel gebrochen hatte, am Ellbogen in die falsche Richtung gedreht, so dass sich Knochensplitter durch die Haut bohrten. Bo sagte etwas über seine Schulter und sie schüttelte sich und schaute ihn an.
    »Was hast du gesagt?«, fragte sie. »Was ist mit deiner Schulter? Es tut mir leid.«
    Er senkte den Blick und spielte mit seiner Gabel. »Dein Onkel scheint einen starken Einfluss auf dich zu haben«, sagte er. »Seit er in den Übungsraum gekommen ist, bist du nicht mehr du selbst.«
    »Oder vielleicht war ich ich selbst und die anderen Male nicht.«
    »Was meinst du?«
    »Mein Onkel hält mich für eine Wilde. Er glaubt, ich sei eine Mörderin. Und, stimmt das etwa nicht? Bin ich nicht wild geworden, als er den Raum betreten hat? Und was üben wir da jeden Tag?« Sie riss ein Stück Brot auseinander und warf es auf ihren Teller, dann starrte sie wütend auf ihr Essen.
    »Ich glaube nicht, dass du eine Wilde bist«, sagte Bo.
    Sie seufzte schwer. »Du hast mich nicht mit Randas Feinden gesehen.«
    Er hob den Becher zum Mund und trank. Dann senkte er ihn wieder und beobachtete sie. »Was wird er dir diesmal auftragen?«
    Sie drängte das Feuer zurück, das aus ihrem Magen aufstieg. Sie fragte sich, was geschehen würde, wenn sie ihrenTeller auf den Boden schmetterte, in wie viele Scherben er zerbrechen würde.
    »Es wird um irgendeinen Lord gehen, der ihm Geld schuldet«, sagte sie, »oder der sich geweigert hat, zu irgendeinem Handel sein Einverständnis zu geben, oder der ihn schief angeschaut hat. Randa wird mir befehlen, den Mann so zu verletzen, dass er ihn nie wieder beleidigt.«
    »Und du wirst tun, was er dir aufträgt?«
    »Wer sind diese Dummköpfe, dass sie sich ständig Randas Willen widersetzen? Haben sie die Geschichten nicht gehört? Wissen sie nicht, dass er mich zu ihnen schicken wird?«
    »Steht es nicht in deiner Macht, dich zu weigern?«, fragte Bo. »Wie kann dich jemand zwingen, etwas zu tun?«
    Das Feuer drang jetzt in ihre Kehle und würgte sie. »Er ist der König. Und du bist auch ein Dummkopf, wenn du glaubst, ich hätte in dieser Sache eine Wahl.«
    »Aber du hast eine Wahl! Nicht er ist es, der dich zu einer Wilden macht. Du machst dich selbst dazu, indem du dich seinem Willen beugst.«
    Sie sprang auf und schwang ihre Handkante gegen sein Kinn. In letzter Sekunde bremste sie den Schlag ab, als sie merkte, dass er nicht abwehrend den Arm gehoben hatte. Ihre Hand traf mit einem hässlichen Geräusch sein Gesicht. Entsetzt sah sie, wie sein Stuhl zurückfiel und sein Kopf auf den Boden schlug. Sie hatte ihn sehr fest geschlagen. Sie wusste, dass sie ihn sehr fest geschlagen hatte. Und er hatte sich nicht verteidigt.
    Sie lief zu ihm. Er lag auf der Seite, beide Hände über dem Kinn. Eine Träne rann ihm aus dem Augenwinkel, über die Finger und auf den Boden. Er stöhnte oder schluchzte, siekonnte es nicht unterscheiden. Sie kniete sich neben ihn und fasste seine Schulter. »Ist der Kiefer gebrochen? Kannst du sprechen?«
    Er setzte sich auf und betastete sein Kinn, öffnete und schloss den Mund und bewegte den Kiefer nach links und rechts.
    »Ich glaube nicht, dass er gebrochen ist«, flüsterte er.
    Sie legte die Hand an sein Gesicht und befühlte die Knochen unter der Haut. Zum

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