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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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spürte, wie seine Augen sie über das Feuer, das er angezündet hatte, beobachteten. So war es an jedem Abend, und so würde es weitergehen. Er würde dasitzen mit Augen, die imFeuerlicht strahlten, und sie wäre unfähig ihn anzuschauen, weil er leuchtete und schön war und sie das nicht ertragen konnte.
    »Bitte, Katsa«, sagte er schließlich. »Rede wenigstens mit mir.«
    Da fuhr sie zu ihm herum. »Was gibt es denn zu bereden? Du weißt, wie ich mich fühle und worüber ich nachdenke.«
    »Und was ich fühle? Ist das nicht wichtig?«
    Er sagte es kleinlaut, so unerwartet kleinlaut angesichts ihrer Bitterkeit, dass es sie beschämte. Sie setzte sich ihm gegenüber. »Bo! Verzeih mir. Natürlich ist es wichtig. Du kannst mir alles sagen, was du empfindest.«
    Er schien plötzlich nicht zu wissen, was er sagen sollte, schaute in seinen Schoß und spielte mit seinen Ringen. Er holte tief Luft und rieb sich den Kopf, und als er ihr wieder das Gesicht zuwandte, hatte sie das Gefühl, seine Augen seien nackt, sie könne direkt durch sie hindurch ins Licht seiner Seele sehen. Sie wusste, was er sagen würde.
    »Ich weiß, dass du das nicht willst, Katsa. Aber ich kann mir nicht helfen. Sowie du in mein Leben gestürmt bist, war ich verloren. Ich habe Angst, dir zu erzählen, was ich mir wünsche, Angst, dass du – ich weiß nicht, dass du mich ins Feuer wirfst. Oder, wahrscheinlicher, dass du mich ablehnst. Oder, am schlimmsten, mich verabscheust«, sagte er mit brechender Stimme, senkte den Blick und legte den Kopf in die Hände. »Ich liebe dich«, sagte er. »Ich liebe dich von ganzem Herzen, mehr, als ich es je für möglich gehalten habe. Aber ich habe dich zum Weinen gebracht, ich höre auf.«
    Sie weinte, aber nicht wegen seiner Worte, sondern wegen einer Gewissheit, die sie in seiner Gegenwart nicht in Zweifel ziehen wollte. Sie stand auf. »Ich muss gehen.«
    Er sprang auf die Füße. »Nein, Katsa, bitte!«
    »Ich gehe nicht weit, Bo. Ich muss einfach nachdenken, ohne dass du in meinem Kopf bist.«
    »Ich habe Angst, dass du nicht zurückkommst, wenn du jetzt gehst.«
    »Bo!« Wenigstens diese Sicherheit konnte sie ihm geben. »Ich werde zurückkommen.«
    Er schaute sie einen Augenblick an. »Ich weiß, jetzt meinst du das. Aber ich fürchte, sobald du gegangen bist, um nachzudenken, wirst du dich für die Lösung entscheiden, mich zu verlassen.«
    »Das werde ich nicht.«
    »Das kann ich nicht wissen.«
    »Nein«, sagte Katsa, »das kannst du nicht. Aber ich muss allein nachdenken, und ich will dich nicht bewusstlos schlagen, also musst du mich gehen lassen. Und sobald ich gegangen bin, wirst du mir vertrauen müssen wie jeder andere ohne deine Gabe auch. Und wie ich es bei dir immer machen muss.«
    Er schaute sie wieder mit diesen nackten, unglücklichen Augen an. Dann holte er tief Luft und setzte sich. »Geh gute zehn Minuten weit, wenn du allein sein willst.«
    Das war eine viel größere Entfernung, als seine Gabe ihres Wissens überbrücken konnte. Doch das war ein Thema für einen anderen Zeitpunkt. Sie spürte seinen Blick auf ihrem Rücken, als sie zwischen den Bäumen davonging. Sie tastete sich mit Händen und Füßen voran auf der Suche nach Finsternis, Abstand und Einsamkeit.
    Allein im Wald, setzte sich Katsa auf einen Baumstumpf und weinte. Sie weinte wie ein Mensch mit gebrochenem Herzen und fragte sich, wieso es einem so das Herz brach, wenn zwei Menschen einander liebten.
    Sie konnte ihn nicht haben, daran gab es keinen Zweifel. Nie konnte sie seine Frau werden. Sie konnte sich nicht von Randa befreien, nur um sich erneut wegzugeben – um einem anderen Menschen zu gehören, für einen anderen Menschen verantwortlich zu sein, ihr ganzes Leben einem anderen zu widmen. Auch wenn sie ihn noch so sehr liebte.
    Katsa saß in der Finsternis eines Waldes in Sunder und verstand drei Wahrheiten: Sie liebte Bo. Sie wollte Bo. Und sie konnte nie einem anderen Menschen außer sich selbst gehören.
    Nach einer Weile suchte sie ihren Weg zurück zum Feuer. Nichts hatte sich in ihrem Gefühl verändert, und sie war nicht müde. Doch Bo würde leiden, wenn er nicht schlief, und sie wusste, dass er nicht schlafen würde, bevor sie zurückgekehrt war.
    Er lag hellwach auf dem Rücken und schaute hinauf zum Halbmond. Sie ging und setzte sich zu ihm. Er betrachtete sie mit sanftem Blick und sagte nichts. Sie erwiderte seinen Blick und offenbarte ihm ihre Gefühle, damit er verstand, was sie empfand, was sie

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