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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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wollte und was sie nicht konnte. Er setzte sich auf.
    Lange sah er ihr ins Gesicht.
    »Du weißt, ich würde von dir nie erwarten, dass du dich veränderst, wenn du meine Frau wärst«, sagte er schließlich.
    »Es würde mich verändern, deine Frau zu sein.«
    Er schaute ihr in die Augen. »Ja. Ich verstehe dich.«
    Ein Stück Holz fiel ins Feuer. Sie saßen schweigend da. Als er wieder sprach, geschah es zögernd. »Mir kommt der Gedanke, dass ein gebrochenes Herz nicht die einzige Alternative zu Heirat ist.«
    »Was meinst du?«
    Er senkte einen Moment den Kopf. Dann schaute er sie wieder an. »Ich werde mich dir geben, wie auch immer du mich willst«, sagte er so einfach, dass es Katsa nicht in Verlegenheit brachte.
    Sie beobachtete sein Gesicht. »Und wohin soll das führen?«
    »Ich weiß es nicht. Aber ich vertraue dir.«
    Sie beobachtete seine Augen.
    Er bot sich ihr an. Er vertraute ihr, wie sie ihm vertraute.
    Diese Möglichkeit hatte sie nicht bedacht, als sie allein im Wald saß und weinte. Sie war ihr noch nicht einmal eingefallen. Und jetzt lag sein Angebot vor ihr, sie konnte es fassen und annehmen. Und was eben noch klar, einfach und herzzerreißend erschienen war, fand sie jetzt wieder wirr und kompliziert. Doch es gab Hoffnung.
    Konnte sie seine Geliebte sein und sich immer noch selbst gehören?
    Das war die Frage, und sie wusste die Antwort nicht.
    »Ich muss nachdenken«, sagte sie.
    »Denk hier nach, bitte. Ich bin so müde, Katsa. Ich werde gleich einschlafen.«
    Sie nickte. »Gut. Ich bleibe.«
    Er griff hoch und wischte ihr eine Träne von der Wange. Sie spürte die Berührung seiner Fingerspitze unten an ihrer Wirbelsäule und kämpfte dagegen an, auch dagegen, dasser das wusste. Er legte sich hin. Sie stand auf und ging zu einem Baum außerhalb des Feuerscheins, setzte sich an den Stamm, betrachtete Bos Umriss und wartete, bis er eingeschlafen war.

Die Vorstellung von einem Liebhaber war für Katsa so etwas wie die Entdeckung eines Körperteils, den sie nie zuvor bemerkt hatte. Ein zusätzlicher Arm oder Zeh. Es war ihr unbekannt, und sie tastete und stocherte daran herum, wie sie an einem fremden Zeh herumgetastet hätte, der unerwartet ihr eigener war.
    Dass Bo dieser Liebhaber sein würde, milderte ihre Verwirrung etwas. Wenn sie an Bo dachte und nicht an einen Liebhaber, konnte Katsa sich vorstellen, wie es wäre, in seinem Bett zu liegen, ohne seine Frau zu sein.
    Darüber musste sie länger nachdenken als eine Nacht. Sie ritten durch den Wald von Sunder, redeten, rasteten und schlugen ein Lager auf wie zuvor. Doch ihr Schweigen war vielleicht nicht ganz so ungezwungen wie zuvor, und Katsa ging gelegentlich fort, um allein nachzudenken. Sie trainierten nicht, denn Katsa scheute seine Berührung. Und er bedrängte sie nicht. Er drängte ihr nichts auf, kein Gespräch, noch nicht einmal seinen Blick.
    Sie ritten so schnell, wie der Weg erlaubte. Doch je weiter sie kamen, umso mehr glich er bestenfalls einem Pfad, der sich zwischen überwucherten Rinnsalen hindurch- und umBäume wand, die größer waren als alle, die Katsa je gesehen hatte – mit Baumstämmen so breit, wie die Pferde lang waren, und Ästen, die über ihnen ächzten. Manchmal mussten sie sich unter Vorhängen aus Ranken ducken, die von den Zweigen hingen. Der Weg wurde immer steiler, je weiter sie nach Osten reisten, und Bäche zogen kreuz und quer über den Waldboden.
    Wenigstens bot ihre Route Bo eine gewisse Zerstreuung. Er konnte nicht aufhören, sich mit großen Augen umzuschauen. »Das ist ja ein Urwald! Hast du je so etwas gesehen? Es ist großartig.«
    Großartig und voller Tiere, die sich für den Winter mästeten. Es war einfach, etwas zu jagen und einen Unterschlupf zu finden. Doch Katsa spürte deutlich, dass die Pferde so langsam vorankamen wie ihre Gedanken.
    »Ich glaube, zu Fuß wären wir schneller«, sagte sie.
    »Die Pferde werden dir fehlen, wenn wir sie zurücklassen müssen.«
    »Und wann wird das sein?«
    »Nach der Landkarte etwa in zehn Tagen.«
    »Ich würde lieber zu Fuß gehen.«
    »Du wirst nie müde«, sagte Bo. »Stimmt’s?«
    »Ich werde müde, wenn ich lange nicht geschlafen habe. Oder wenn ich etwas sehr Schweres trage. Ich war müde, als ich deinen Großvater eine Treppe hinaufgetragen habe.«
    Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er sie an. »Du hast meinen Großvater eine Treppe hinaufgetragen?«
    »Ja, in Randas Schloss.«
    »Nach einem schnellen Tages- und Nachtritt?«
    »Ja.«
    Er

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