Die Beschenkte
lachte laut, doch sie verstand den Witz nicht. »Das musste ich, Bo. Sonst wäre der Einsatz missglückt.«
»Er wiegt anderthalbmal so viel wie du.«
»Ich war ja auch müde, als ich oben war. Du wärst nicht so müde gewesen.«
»Ich bin größer als er, Katsa. Ich bin stärker. Und ich wäre schon müde gewesen, wenn ich nur die Nacht auf meinem Pferd verbracht hätte.«
»Ich musste es tun. Ich hatte keine Wahl.«
»Zu deiner Gabe gehört mehr als das Kämpfen«, sagte er.
Sie antwortete nicht, und nach einem Moment der Verwunderung hatte sie es vergessen. Ihre Gedanken kehrten zu ihrem Hauptthema zurück. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, mit Bo auf seinem Pferd vor ihr.
Was war der Unterschied zwischen einem Ehemann und einem Liebhaber?
Wenn sie Bo zum Ehemann nahm, würde sie Versprechungen für eine Zukunft machen, die sie sich nicht vorstellen konnte. Denn sobald sie seine Frau wurde, wäre sie das für immer. Und wie viel Freiheit Bo ihr auch geben mochte, sie würde immer wissen, dass sie ein Geschenk war. Ihre Freiheit würde nicht ihr allein gehören; Bo konnte sie ihr geben oder versagen. Dass er sie ihr nie versagen würde, machte keinen Unterschied. Wenn sie nicht aus ihr kam, gehörte sie nicht wirklich ihr.
Würde sie sich gefangen fühlen, für immer in die Enge getrieben, wenn Bo ihr Liebhaber wäre? Oder hätte sie dann immer noch diese Freiheit, die aus ihr selbst kam?
Und als sie sich eines Nachts an einem verlöschendenFeuer gegenüberlagen, kam ihr eine neue Sorge. Was wäre, wenn sie mehr von Bo nahm, als sie ihm geben könnte?
»Bo?«
Sie hörte, wie er sich auf die Seite drehte. »Ja?«
»Wie wäre es für dich, wenn ich für immer weggehen würde? Wenn ich mich dir an einem Tag hingeben und dich am nächsten wieder verlassen würde – ohne das Versprechen, zurückzukommen?«
»Katsa, jeder Mann, der versuchen würde, dich in einen Käfig zu sperren, wäre ein Dummkopf.«
»Aber das sagt mir nicht, wie du dich fühlst, wenn du immer von meinen Launen abhängig bist.«
»Es sind keine Launen. Es ist das Bedürfnis deines Herzens. Du vergisst, dass ich in der einmaligen Lage bin, dich zu verstehen, Katsa. Immer wenn du dich von mir zurückziehst, werde ich wissen, dass es nicht aus Mangel an Liebe geschieht. Wenn doch, werde ich das auch wissen und verstehen, dass es für dich richtig ist zu gehen.«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet. Wie wirst du dich fühlen?«
Eine Pause entstand. »Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich werde ich viele verschiedene Gefühle haben. Aber nur eins von vielen wird Trauer sein, und Trauer bin ich bereit zu riskieren.«
Katsa schaute hinauf in die Baumwipfel. »Bist du da sicher?«
Er seufzte. »Ich bin mir sicher.«
Er war bereit, Trauer und Elend zu riskieren. Und das war der Haken. Sie wusste nicht, wohin das führen würde, und weiterzumachen bedeutete, alle möglichen Arten von Trauer zu riskieren.
Das Feuer seufzte und erstarb. Sie hatte Angst. Denn während ihr Lager sich der Finsternis ergab, spürte sie, dass auch sie das Risiko wählte.
Am nächsten Tag hätte Katsa alles für einen freien, geraden Weg gegeben, für einen schnellen Ritt und donnernde Hufe, um ihre Gefühle zu übertönen. Stattdessen wand sich die Straße vor und zurück, Hänge hinauf und in Senken hinab, und sie wusste nicht, wie es ihr gelang, nicht zu schreien. Bei Einbruch der Dunkelheit kamen sie in eine Mulde, in der Wasser in einen flachen, stillen Weiher rann. Moos bedeckte die Bäume und den Boden, hing von den Ranken an den Bäumen und fiel in den Weiher, der grün schimmerte wie der Boden von Randas Schlosshof.
»Du scheinst ein bisschen gereizt zu sein«, sagte Bo. »Warum gehst du nicht auf die Jagd? Ich mache Feuer.«
Die ersten Tiere, über die sie stolperte, ließ sie entkommen. Sie hoffte, wenn sie tiefer in den Wald eindrang und sich mehr Zeit ließ, könnte sie ihre Nervosität vielleicht loswerden. Doch als sie viel später mit einem Fuchs zum Lager zurückkehrte, hatte sich nichts verändert. Bo saß ruhig am Feuer und Katsa glaubte, gleich zerplatzen zu müssen. Sie warf ihre Beute auf den Boden neben den Flammen, setzte sich auf einen Stein und stützte den Kopf in die Hände.
Sie wusste, was sie so durcheinanderbrachte. Es war Angst, schlichte, kalte Angst.
Sie wandte sich ihm zu. »Ich verstehe, warum wir nicht miteinander kämpfen sollten, wenn einer von uns wütend ist. Aber schadet es auch, zu kämpfen, wenn einer von
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