Die Beschenkte
haben die Arzneien. Seenagel ist bei den Arzneien«, und seine Hände, sein Mund, sein Körper löschten ihr Denken aus. Er machte sie betrunken, dieser Mann machte sie betrunken, und immer, wenn sein Blick in ihren blitzte, konnte sie nicht atmen.
Sie hatte den Schmerz erwartet, als er kam. Doch sie keuchte über seine Schärfe, er glich keinem anderen Schmerz, den sie zuvor gespürt hatte. Bo küsste sie, wurde langsamer und hätte aufgehört. Doch sie lachte und sagte, dieses eine Mal sei sie damit einverstanden, dass seine Berührung ihr wehtat und sie bluten ließ. Aus dem Schmerz wurde eine Wärme, die zunahm und ihren Atem stocken ließ, die ihr den Atem nahm und den Schmerz, und den Verstand, bis nichts mehr war als ihr Körper und sein Körper und das Licht und das Feuer, das sie zusammen erschufen.
Danach lagen sie gewärmt voneinander und von der Hitze des Feuers da. Sie berührte seine Nase, seinen Mund und spielte mit den Reifen in seinen Ohren. Er küsste sie immer wieder, und seine Augen leuchteten in ihre.
»Geht es dir gut?«, fragte er.
Sie lachte. »Ich habe mich nicht verloren. Und du?«
Er lächelte. »Ich bin sehr glücklich.«
Sie fuhr die Linie seines Kinns bis zu den Ohren nach, dann strich ihr Finger hinunter zu seiner Schulter. Sie berührte die Male, die sich um seine Arme wanden. »Raffin dachte auch, wir würden so enden«, sagte sie. »Offenbar bin ich die Einzige, die es nicht hat kommen sehen.«
»Raffin wird ein sehr guter König sein«, sagte Bo, und sie lachte wieder, diesmal über die Unlogik der Bemerkung, und bettete ihren Kopf in seine Armbeuge.
»Lass uns morgen schneller reiten«, sagte sie beim Gedanken an Männer, die keine guten Könige waren.
»Einverstanden. Hast du noch Schmerzen?«
»Nein.«
»Warum, glaubst du, ist das so? Warum haben Frauen diese Schmerzen?«
Darauf konnte sie nicht antworten. Frauen hatten sie nun mal, das war alles, was sie wusste. »Lass mich deine Hand waschen.«
»Zuerst werde ich dich waschen.«
Sie schauderte, als er sie verließ, zum Feuer ging und Wasser und Tücher holte. Er beugte sich ins Licht, und Helligkeit und Schatten liefen über seinen Körper. Er war schön. Sie bewunderte ihn, und er grinste zu ihr herüber. Fast so schön wie eingebildet, dachte sie, und er lachte laut heraus.
Es sollte sich seltsam anfühlen, dachte sie, hier zu liegen, ihn zu beobachten und ihn zu necken. Getan zu haben, was sie getan hatten, und zu sein, was sie geworden waren. Stattdessen fühlte es sich natürlich und gut an. Unvermeidlich. Und nur ganz, ganz wenig erschreckend.
Sie führten ganze Gespräche, in denen sie kein Wort sagte. Bo spürte, wenn Katsa mit ihm reden wollte, und wenn sie ihm etwas sagen wollte, konnte er es mit seiner Gabe einfangen. Es schien ihnen nützlich, diese Fähigkeit zu üben. Und Katsa merkte, je unbefangener sie ihm ihre Gedanken öffnete, umso leichter fiel es ihr auch, sie vor ihm zu verbergen. Das war allerdings nicht sehr befriedigend, denn wenn sie ihm ihre Empfindungen nicht zugänglich machte, musste sie diese Gefühle auch vor sich selbst verschließen. Aber es war wenigstens etwas.
Sie fanden heraus, dass es für ihn einfacher war, ihre Gedanken aufzunehmen, als für Katsa, sie zu formulieren. Zuerst fasste sie alles in stumme Worte, als würde sie mit ihm sprechen. Willst du anhalten und Rast machen? Soll ich uns ein Abendessen besorgen? Ich habe kein Wasser mehr. »Natürlich verstehe ich dich, wenn du so präzise bist«, sagte Bo. »Aber du musst dich nicht so anstrengen. Ich kann auch Bilder verstehen, Gefühle oder Gedanken in ungeformten Sätzen.«
Auch das war für sie zuerst schwierig. Sie fürchtete missverstanden zu werden und formte ihre inneren Bilder so sorgsam wie ihre Sätze. Fische über dem Feuer braten. EinBach. Die Kräuter, der Seenagel, den sie beim Abendessen zu sich nehmen musste.
»Wenn du mir einen Gedanken zugänglich machst, Katsa, verstehe ich ihn – egal wie du ihn denkst. Wenn du willst, dass ich etwas weiß, erfahre ich es.«
Aber was bedeutete es, ihm einen Gedanken zugänglich zu machen? Zu wollen, dass er ihn kannte? Sie versuchte einfach seine Gedanken zu erreichen, wenn er etwas erfahren sollte. Bo! Und dann überließ sie es ihm, das Wesentliche des Gedankens aufzunehmen.
Das schien zu gelingen. Sie übte ständig, sowohl mit ihm zu kommunizieren, als auch sich ihm zu verschließen. Langsam entspannte sie sich dabei.
Eines Abends am Feuer, vor dem
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