Die Beschleunigung der Angst
angekommen wäre, würde Daniel umdrehen
und nach Hause Fußball gucken fahren. Er wusste ja, dass Thomas recht hatte. Er
war wirklich nicht der geborene Frauenheld. Natürlich hatte er schon
Freundinnen gehabt, hatte sogar mit einer zusammengewohnt, bis sie angefangen
hatte, seinen ehemaligen Chef zu vögeln. Und nun war sein Sexualleben seit mehr
als einem Jahr ebenso tot wie Breakdance und Schaumstoffschulterpolster. Und
beim weltmännisch dreinblickenden Thomas sah es nicht viel anders aus, auch
wenn er sich redlich bemühte, es zu verschleiern.
Daniel warf einen Blick in
den Rückspiegel des Geländewagens. Der Fahrer hatte den Kopf zurückgelehnt, und
so konnte er erkennen, dass der Mann rotblondes Haar hatte und unrasiert war.
Seine Bartstoppeln bedeckten Kinn und Wangen. Ansonsten wirkte sein Gesicht
eher unauffällig.
Das rhythmische Kopfnicken,
das auf die unappetitliche Tätigkeit des Stalkers hinwies, wurde ruckartiger,
während Daniel ihn beobachtete. Er kam sich schmutzig dabei vor, dem Mann im
Geländewagen bei einer derart intimen Verrichtung zuzusehen, doch schob er das
schlechte Gewissen von sich weg. Stattdessen wallte Wut in ihm auf. Was fiel
diesem kranken Kerl ein, dieses hübsche Mädchen, wenn auch ohne deren Wissen,
auf solch abscheuliche Art zu beschmutzen?
Das von hinten zu
beobachtende Rucken schien sich seinem Höhepunkt zu nähern. Dann hörte es auf.
Daniel betrachtete den Mann über dessen Rückspiegel. Er erschrak, als er den
Blick des Mannes deutete. Er sah keine Befriedigung in seinen wässrigen Augen,
noch nicht einmal Erleichterung. Stattdessen sah er nur Hass.
Er hatte die Frau benutzt,
um sich einen runterzuholen, doch er verabscheute - hasste - sie. Über die
Gründe konnte Daniel nur spekulieren. Vielleicht, weil er sie nicht haben
konnte und sich so ärmlich an ihr vergehen musste. Vielleicht, weil er einfach
jeden hasste.
»Er scheint fertig zu sein«,
sagte Thomas. Er hatte aufgehört, Erdnüsse in sich reinzustopfen, als säße er
im Kino. Wahrscheinlich war ihm der Appetit vergangen. Daniel zumindest hatte
keinen Hunger mehr auf die in seiner Wohnung wartenden Chips. Und die Bratwürste,
die sie noch grillen wollten, konnten wohl getrost im Kühlschrank bleiben.
»Hoffentlich fährt er jetzt
nach Hause, dann sind wir rechtzeitig zum Anpfiff wieder bei dir.«
Die Abfahrt zum Freibad war
noch zweihundert Meter entfernt. Daniel atmete durch. Sollte das Konzert das
Ziel der Frau sein, war es fast geschafft.
In diesem Moment
beschleunigte das Auto vor ihnen. Die Reifen, die nicht auf dem Grünstreifen
geparkt hatten, quietschten, als der Wagen schleudernd anfuhr.
»Jetzt haut er ab«, sagte
Thomas.
Der Geländewagen legte eine
Vollbremsung hin, als er direkt neben der Frau mit kreischenden Reifen zum
Stehen kam. Jetzt drehte sie sich das erste Mal um, war aber zu verdutzt, um zu
reagieren. Die Fahrertür flog auf, der Stalker sprang aus der Fahrerkabine,
rannte um die Motorhaube auf sie zu und schlug sie ohne Vorwarnung zu Boden. Er
ergriff sie, warf sie auf den Rücksitz, spurtete um das Heck des Wagens,
verschwendete keinen Blick auf das einige hundert Meter hinter ihm stehende
Auto, stieg hinein und beschleunigte.
Die Fahrertür fiel ins
Schloss, während sich der Geländewagen schlingernd entfernte.
Kapitel 3
»Scheiße!«
Thomas richtete sich ruckartig
auf, wobei es ihm gelang, sich nicht das auf dem Armaturenbrett geparkte Bein
zu brechen und gleichzeitig erstaunlich elegant auszusehen. Trotzdem ließ er
die Erdnussdose fallen, die ihren Inhalt daraufhin im
Beifahrerfußraumentleerte.
»Hast du das gesehen?«
Daniel hielt das Lenkrad
umklammert, als hinge sein Leben davon ab. Die Fingerknöchel traten weiß
hervor.
»Ich glaube schon.«
Der Geländewagen nahm immer
mehr Geschwindigkeit auf. Jetzt war er auf Höhe der Einfahrt zum Freibad,
bremste jedoch nicht ab. Aber das hatte Daniel auch nicht erwartet. Der Typ
hatte sein Stalkingopfer mit Sicherheit nicht bewusstlos geschlagen, um mit ihr
auf das Konzert zu gehen.
»Wir müssen die Polizei
anrufen, ganz egal, wie viel die zu tun haben.«
»Richtig. Gib mir dein
Handy. Ich rufe an, und du fährst nach Hause.«
Daniel sah seinen Freund an,
die Augen weit aufgerissen.
»Ich habe kein Handy dabei.
Ich dachte, du hättest deins mitgenommen!«
Thomas schüttelte den Kopf.
»Du hast doch dabei
zugesehen, wie ich es in deinem Wohnzimmer an die Ladestation gehängt habe.
Außerdem - arbeitest du in
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