Die Beschleunigung der Angst
weitere
Salve in einen Körper zu jagen.
Und Xerxes, rotäugiger
Obergangster. Die Pistole war irgendwo in den Weiten seines Sakkos
verschwunden.
Daniel zog Karla noch näher
an sich. Sollte er ihr sagen, dass alles gut werden würde. Dass sie lediglich
etwas länger ausharren mussten, bis Rettung kam? Nein, das konnte er nicht. Er
hätte es getan, hätte gerne Trost und Zuversicht gespendet.
Doch er schaffte es nicht,
sie anzulügen.
Kapitel 30
»Du«. Xerxes‘ Stimme, die
sich durch die vormorgendliche Stille der Nacht fraß. »Du gehst runter ins Auto
und suchst nach dem Band.«
»Aber mein Bein. Ich kann
nicht ...«
»Du gehst. Jetzt.«
Marco ließ die Schultern hängen
und ging zum Rand des Schwimmbeckens. Er suchte eine Stelle, an der das
verschlammte Becken nicht allzu tief war. Dann sprang er.
Daniel beobachtete, wie
Marco versuchte, auf seinem gesunden Bein zu landen und sich auszubalancieren,
um das Knie, in dem immer noch das Stück Zaunpfahl steckte, nicht zu belasten.
Und wäre der Untergrund nicht so morastig und rutschig gewesen, hätte er es
vielleicht sogar geschafft. Doch so rutschte er weg, ein Rettungsversuch, sich
mit einer Hand abzustützen, scheiterte. Und so schlug er der Länge nach in den
angesammelten Unrat, der den Boden des Pools bedeckte. Er fluchte und hielt
sich das lädierte Knie.
Hast du dir wehgetan, Marco?
Das tut mir wirklich überhaupt nicht leid.
Karla ruhte noch an seiner
Schulter. Ihr Körper hatte aufgehört zu zucken, doch immer wieder schniefte
sie. Daniel strich ihr mechanisch über das Haar, während er die Szenerie unter
sich betrachtete.
Marco rappelte sich auf,
wieder in diese seltsam schräge Körperhaltung, und mehr hüpfend als gehend
bewegte er sich zum Auto. Dort angekommen stützte er sich auf das Autodach und
holte so schwer Atem, dass Daniel es ein Stockwerk weiter oben hören konnte.
»Beeil dich! Wir haben keine
Zeit!«
Marco beugte sich über den
Polizisten und begann ihn abzutasten. Er suchte die Taschen der Uniform ab,
tastete unter den Achseln, entlang der Beine, wendete die Leiche sogar - was
eine gigantische Kraftanstrengung sein musste, wenn man auf einem Bein das
Gleichgewicht ausbalancierte - und untersuchte den Schritt. Doch er fand
nichts. Er ließ von Kurt ab und kroch wie ein lahmer Käfer auf den Fahrersitz
des Polizeiautos.
Daniel konnte die
Fahrerkabine nicht einsehen, und auch Xerxes und sein Leibwächter hatten keinen
guten Blick ins Innere des Wagens. Daniel erinnerte sich daran, wie schwer sie
sich von ihrer Position aus getan hatten, zu erkennen, ob jemand im Auto saß.
Daniel hörte das Aufklappen des Handschuhfachs, dann, wie es wieder zugestoßen
wurde. Rascheln und Knistern drang an sein Ohr, dann sah er, wie Marco sich
umständlich aus dem Auto zog.
»Nichts«, sagte er und hob
eine Hand in einer entschuldigenden Geste.
»Scheiße!«, rief Xerxes.
»Dann haben dieser Bastard und die kleine Schlampe das Band!«
»Sie sind im ersten Stock«,
sagte Marco.
»Das will ich für dich hoffen!«
Mist. Jetzt würde man sie
auf jeden Fall noch suchen. Nur wegen dieser beschissenen Videokassette, die
weder er noch Karla hatten!
Karla schniefte wieder.
Daniel wusste nicht, ob sie mitbekam, was draußen vor sich ging.
Marco hatte sich unterdessen
wieder zu Xerxes und dem Leibwächter vorgearbeitet. Er stand immer noch im
Becken, etwa einen Meter tiefer als die anderen.
»Kannst du mir helfen? Mein
Bein ...«
Der Leibwächter sah seinen
Boss an.
Xerxes nickte.
Der Bodyguard beugte sich
hinunter zu Marco, nahm eine Hand von der Waffe und hielt sie Marco hin.
Marcos Hand war gewiss nicht
klein, doch in der Pranke des Bodyguards, die so groß schien wie eine
Bratpfanne, verschwand sie wie die Hand eines Kindes. Marco verlagerte sein
Gewicht und hing nun an der Hand des stummen Ungeheuers.
Dann ging alles ganz
schnell.
Im einen Moment sah es so
aus, als ob der Kopf der Bankräuber sich mithilfe der dargebotenen Hand aus dem
Pool hangeln wollte.
Im nächsten Moment hielt Marco
einen langen, schimmernden Gegenstand in der freien Hand.
Den Flügelschlag eines
Kolibris später fraß sich Piets Machete mit einem Geräusch, das Daniel an auf
Pflastersteinen geworfene Melonen erinnerte, durch das Handgelenk des
Bodyguards.
Marco fiel zurück in den
Pool, was ihm und seinem Knie wahrscheinlich böse Schmerzen bereitete.
Allerdings waren diese Qualen wohl nichts gegen die des Leibwächters, der
geistlos auf seinen Armstumpf
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