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Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Acker
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entfernten.
    Nicht mehr lange, und er
würde sie auf der Treppe hören. Karla und er saßen in der Falle, und das
wussten die Gangster natürlich. Sie würden sich überlegen fühlen. Diese
vermeintliche Sicherheit musste er ausnutzen.
    Er konnte nicht mehr warten.
Er musste das obere Stockwerk durchsuchen, nach irgendetwas, das ihm bei der
Verteidigung seines und Karlas Leben helfen würde. Die engen Zimmer der
ehemaligen Hausangestellten halfen ihm dabei nicht weiter, auch wenn dort eine
Treppe nach unten in die Eingangshalle führte. Die drei Gangster würden klug
genug sein, sich aufzuteilen und einer von ihnen würde diese Treppe nach oben
nehmen, um ihm und Karla den Weg abzuschneiden.
    Daniel setzte sich auf und
hielt sich die Pistole vor die Augen. Mit dem Daumen entsicherte er sie. Der
Punkt, den der Sicherungshebel freigelegt hatte, um anzuzeigen, dass die Waffe
scharf war, glotzte ihn an wie ein rotes Auge.
    Wie Xerxes‘ Auge.
    Er warf die Pistole in den
hinteren Teil des Zimmers.
    »Was machst du da?«, fragte
Karla.
    Er zuckte die Schultern.
»Sie ist leer. Keine Munition.«
    Er blickte zu Karla. Auch
sie hatte sich aufgesetzt. Das schwache Morgenlicht zeichnete ihre Umrisse
nach, ausgefranst ähnlich einer unscharfen Fotografie. Doch selbst so war sie
schön. Mit einer Handbewegung, die ihn an Ballett erinnerte, strich sie sich
eine Haarsträhne aus der Stirn.
    »Geht‘s wieder?«, fragte er.
    Während Karla sich eine
Antwort überlegte, hörte er Stimmen vor dem Haus. Nicht mehr lange, und sie
würden sie suchen kommen.
    »Nicht wirklich«, sagte
Karla.
    »Bei mir auch nicht. Aber
wir müssen uns ein anderes Versteck suchen.«
    Daniel erwähnte nicht, dass
er nur zum Teil vorhatte, sich zu verstecken. Das war vorbei.
    »Wo?«
    »Im hinteren Teil des
Hauses. Wir müssen uns beeilen. Sie werden bald kommen.«
    Er half ihr auf die Füße.
Wieder fiel ihm auf, wie feingliedrig ihre Hand war. Wie dünne Zweige, die der
Frühlingswind umknicken konnte. Oder Gangster.
    Doch das würde er zu
verhindern wissen.
    Daniel schaltete die
Taschenlampe ein, schirmte sie jedoch mit seiner Hand ab, so dass nur einige
verlorene Lichtstrahlen den Weg zwischen seine Finger und in die Freiheit fanden.
Geisterhaftes Licht schien ihnen den Weg in den Flur, dem sie erst in Richtung
Haupttreppe, dann an ihr vorbei in den hinteren Teil des Hauses folgten.
    Auch hier zweigten Zimmer zu
beiden Seiten des Flurs ab. Daniel hielt an jeder Tür an und unterzog jeden
Raum einer kurzen Untersuchung. Die meisten ehemaligen Wohnräume waren komplett
leer, sah man von Staub und Schimmel und Tierexkrementen ab.
    Nicht das, was er suchte.
    Beim vorletzten Raum auf der
linken Seite, der sich über dem Ballsaal befinden musste, sah es anders aus.
Unmengen von Betonbrocken lagen hier über den Boden verstreut. Von faustgroß
bis zu ausgewachsenen Zementfußbällen war alles vorhanden. Dazwischen waren
sämtliche Abfälle zu finden, die auf Baustellen anfielen. Dieses Zimmer schien
als Müllhalde während einer nie beendeten Renovierung benutzt worden zu sein.
Daniel konnte im Licht der Scheinwerfer verrostetes Werkzeug und Stahlstreben,
Drahtschlaufen und zerknüllte Dosen erkennen. Außerdem waren gesprungene
Putzeimer voller gehärtetem Mörtel, eine Wagenladung zerbrochener Dachziegel,
unzählige Glassplitter und Jutesäcke mit undefinierbarem Inhalt zu sehen.
Stahlmatten, ursprünglich dazu gedacht, den Wänden Stabilität zu verleihen,
ragten aus den vom Schimmel marmorierten Mauern wie rostige Skelette, die sich
aus einem verwesenden Körper befreiten. Das ganze Zimmer wirkte, als sei es von
einem Riesen durchgeschüttelt worden.
    Das einzige Fenster war
zugenagelt, als hätte ein Vampir hier drin gelebt, der die Sonne hatte
aussperren wollen. Und dem Geruch nach konnte hier tatsächlich ein Toter
liegen. Nicht nur scharfer Salpetergeruch drohte die Nasenschleimhäute
wegzuätzen, diesen Raum hatte sich auch mindestens ein mittelgroßes Tier zum
Verenden ausgesucht.
    Daniel reichte Karla die
Taschenlampe und griff sich eine der Eisenstangen, die wie bei einem Mikado für
Riesen aus dem Müllberg ragten. Sie hatte die Länge eines Baseballschlägers und
war mit Dreck überzogen. Doch das tat nichts zur Sache. Er ließ die Stange
durch die Luft schnellen, testete ihren Schwerpunkt, hörte den Luftzug. Sehr
gut.
    Er hatte eine Idee, die
einen Plan zu nennen hoffnungslos übertrieben wäre. An sich setzte er nur
darauf, dass ihre Verfolger

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