Die Beschleunigung der Angst
Daniel ihre Aktion
nicht sonderlich klug fand, und auch wenn die gewählten Worte nicht damenhaft
waren, bestärkte ihn ihr Auftritt in seiner Meinung, dass er auf sie würde
zählen können. Das war die Karla, die all ihre Unsicherheit hinausgeschrien
hatte.
Daniel und Karla gingen
zurück in den Raum und nahmen ihre Positionen rechts und links der Tür ein.
»Nein, mein Mädchen«, sagte
Xerxes, und seine Stimme klang fast traurig. »Du bist es, die verrecken wird.«
Kapitel 32
Die Dunkelheit und die
Stille nagten an ihm. Seit Xerxes gesprochen hatte, mochte eine Minute
vergangen sein. Vielleicht zwei. Und doch kam es Daniel vor wie eine Stunde.
Seine Nackenhärchen stellten sich auf, während er in die Lautlosigkeit horchte.
Sein Hörsinn schien aufgrund der Abwesenheit von Geräuschen seine
Körperfunktionen zu potenzieren.
Sein Atem klang wie der
einer Dampflok, schwer beladen und eine steile Anhöhe zwischen seinen Ohren
erklimmend. Sein Blut rauschte in den Gehörgängen, dass man meinen konnte, man
stünde auf einer Raststätte und blicke auf eine stark befahrene Autobahn.
Die Totenstille machte ihn
fertig, er fühlte sich wie am Rande eines Abgrunds, und er wusste nicht, was
hinter sich passierte. Würde ihn jemand hinunter stoßen?
Manchmal, dachte Daniel,
manchmal konnte Stille die Hölle sein.
Dann endlich hörte er
Schritte. Unregelmäßig. Er war fast froh, dass die Sache Fahrt aufnahm.
Ein Schritt, Schleifen.
Schritt, Schleifen.
Marco! Sein Knie musste
höllisch schmerzen, so dass er das linke Bein nachzog, um es zu entlasten.
Daniel fragte sich, wie er überhaupt noch laufen konnte
Er umklammerte die
Eisenstange.
Was hatten die anderen vor?
Hatten sie einen Plan? Einen besseren Plan als er? Wahrscheinlich, denn dafür
brauchte es beileibe nicht viel. Außerdem waren sie es, die Waffen hatten. Eine
Maschinenpistole zum Beispiel. Alles, was er und Karla hatten, war eine Art
Bauwerkzeug. Oh, und natürlich eine Taschenlampe. Die durfte er nicht
vergessen.
Taschenlampe des Todes.
Und doch würde es reichen
müssen.
Und als hätte er nicht genug
damit zu tun, den Schritten zu lauschen und sich auf seine Aufgabe zu
konzentrieren, stritten zwei Stimmen in seinem Kopf.
Natürlich wird es reichen ,
sagte die eine Stimme, die verdächtig nach seiner Mutter klang. Du hast ihn
schon einmal unter schlechteren Voraussetzungen überrumpelt und ihn fast
kampfunfähig gemacht. Du wirst es wieder schaffen und diesmal zu Ende bringen.
Du hast Glück gehabt ,
sagte die andere Stimme, die er als die seines besten Freundes Thomas erkannte. Du hattest einen Arsch voll Glück, doch das ist aufgebraucht. Sorry, Bruder,
aber du wirst keine fünf Minuten mehr atmen. Machs gut.
Daniel schüttelte den Kopf
als könnte er die Stimmen aus den Ohren herausschütteln. Als das nicht klappte,
musste er Gegenmaßnahmen ergreifen.
Tut mir leid ,
Thomas, dachte er. Ich wünsche dir alles Gute, und dass du bald wieder auf
die Beine kommst. Aber jetzt halt bitte einfach dein Maul.
Das Schlurfen auf dem Gang
verstummte, und eine Sekunde später zerriss eine Schusssalve die Stille. Das
stroboskopartige Aufblitzen des Mündungsfeuers tauchte den Flur und die
umliegenden Räume in hektisches Licht. Standbilder brannten sich in Daniels
Netzhaut. Ein kurzer Blick durch die Tür zeigte Marco, der vor der Tür des gegenüberliegenden
Zimmers stand und in den Raum feuerte, in der Hoffnung, auf gut Glück Karla und
ihn zu treffen.
Danach wieder Stille. Zum
Rauschen seines Bluts hatte sich ein den Schüssen geschuldetes schrilles
Pfeifen gesellt.
Schlurfen.
Daniel betete, dass sein
Plan funktionieren würde. Betete, dass Karla nicht zu früh aus ihrem Versteck
gesprungen kam.
Schlurfen.
Und eine weitere
Munitionssalve, diesmal in den Raum abgefeuert, hinter dessen Türöffnung sich
Daniel und Karla verschanzten.
Wieder Blitzlichter. Die
Kugeln fraßen sich mit wütendem Fauchen in den Bauschutt hinein, zerbröselten
Betonbrocken, durchschlugen Plastikeimer, ließen Wasserflaschen bersten und
durchlöcherten die vor das Fenster genagelten Bretter. Daniel sah Karla, wie
sie daumenkinoartig die Hand vor den Mund schlug. Er sah eingefrorene
Staubwolken, wie in Schwerelosigkeit schwebenden Müll.
Dann Ruhe.
Showtime. Seine Hände
schwitzten, als er die Eisenstange fester griff.
Komm schon Karla .
Und dann kam Karla. Und wie.
Sie sprang hinter der
Türöffnung hervor, und noch im Flug richtete sie die Taschenlampe
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