Die Beschützerin
spürte es genau.
»Michaela, bitte â¦!«
Sie stand auf. »Es tut mir leid, Janne. Ich kann dir gar nichts sagen.« Sie drehte sich um und ging hinaus.
Ich saà lange regungslos da, den Kopf in die Hände gestützt. Das Gebäude kam mir viel zu still vor. Niemand kam, niemand rief an. Ich fühlte mich wie eine Aussätzige. Eine, die alles verpatzt und verdorben hat. Auf einmal bewegte sich etwas auf dem Flur. Sven ging mit Kollegen vorbei. Sven! Ob er von der Präsentation gehört hatte? Bestimmt wusste er längst Bescheid. Ich sah auf die Uhr. Kurz nach zwölf. Ich folgte ihm und näherte mich dem Konferenzraum. Die Tür stand einen Spalt offen. Ich hörte Svens Stimme.
»Was weià ich? Ich hab gehört, von Hirten hat präsentiert. Der Smiling Kids Day soll auf eine Sparversion heruntergefahren werden. Die Bloomsdale-Typen waren natürlich begeistert. Und Janne hat dabei gesessen und keinen Pieps gesagt.«
»Das ist doch Schwachsinn.« Das war Evelyn. »Du kennst doch Janne. Ich bin sicher, sie kämpft mit allen Mitteln für die Abteilung und unsere Projekte.«
»Verlassen würde ich mich darauf nicht mehr.«
Ich fuhr zusammen. War das gerade Michaelas Stimme gewesen?
»Entschuldigung bitte.« Ich drehte mich um. Vor mir stand unser Sushi-Lieferant, der mehrere Tüten mit gestapelten Plastikbehältnissen trug.
»Sushi? Sie haben bestellt?«, fragte er mich.
»Nein, ich nicht.« Ich trat zur Seite, um ihm Platz zu machen. Ich wartete, bis er aus dem Konferenzraum zurückkehrte und über den Flur verschwunden war. Ich ging hinein. Vier betretene und erschrockene Gesichter blickten mich an.
»Habt ihr für mich was mitbestellt?«, fragte ich in neutralem Ton.
Sven warf zuerst Michaela, dann Evelyn einen irritierten Blick zu. »Ja â¦, nein â¦, also, haben wir â¦?«
Michaela verschränkte die Arme und blickte mich herausfordernd an. »Nein, weil du sagtest, du hättest Kopfschmerzen. Du wolltest lieber allein sein.«
Sie wusste so gut wie ich, dass ich nichts davon gesagt hatte. Sie hatte mich einfach übergangen. Ich verbarg meine Wut über ihre Lüge. Das mussten wir wirklich nicht vor den anderen austragen.
»Wir haben aber genug. Möchtest du jetzt doch noch?«, fragte Evelyn und zeigte auf die Plastikschalen.
»Ja, setz dich doch, es reicht für uns alle«, stimmte Sven zu.
Ich lächelte knapp an Svens vertrautem Gesicht vorbei. »Nett von euch, aber nun hab ich mir was beim Bäcker geholt. Morgen wieder.«
Ich ging zurück in mein Büro, sank auf meinen Stuhl und starrte auf den leeren, schwarzen Monitor.
Sie hatten mich ausgeschlossen und über mich geredet. Sie zweifelten an mir. Bisher waren die anderen Abteilungsleiter immer neidisch über die gute Stimmung in meinem Team gewesen.
Ein Pling meines Computers kündigte den Eingang einer E-Mail an. Der Betreff lautete: »Dein Song«. Erstaunt sah ich, dass sie von Sebastian stammte.
»Hallo Janne, sehen wir uns heute Abend? Ich habe an dich gedacht, und auf einmal hatte ich eine Melodie für ein neues Stück im Kopf. Das muss ich dir unbedingt vorspielen. Ich habe es Jannes Song genannt. Kisses from Sebastian.«
Ich starrte eine ganze Weile auf die Buchstaben. Was sollte das denn jetzt? Sebastian wusste, dass ich einen festen Partner hatte. Aber das schien ihn nicht von weiteren Flirtversuchen abzuhalten. Ich hätte den Kuss nicht erwidern dürfen. Das intime Gespräch auf Sebastians Sofa, der Wein, die Kerzen, meine Sorge um Benni ⦠Ich hatte nicht nachgedacht. Er war auf der Suche nach jemandem.
Ich klickte auf »Antworten« und schrieb: »Hallo Sebastian, Glückwunsch zum neuen Song, aber widme ihn besser einer anderen Dame. Bin ja in festen Händen ⦠Ein GruÃ, Janne.«
Es dauerte keine Minute, bis die Antwort eintraf. »Verzeih mir. Bin ja selbst schuld. Warum lasse ich mich so von dir verwirren? Können wir noch mal reden?«
Ich zögerte, tippte dann: »Klar. Nur nicht heute Abend. Ich melde mich.«
Es klopfte, und Vanessa Ott steckte den Kopf zur Tür herein. »Hatten Sie auch keine Lust auf Sushi?« Sie lächelte. »Ich wollte gerade rübergehen ins Nice Place. Kommen Sie mit?«
Ich spieÃte ein Stück Huhn auf und lieà die Gabel wieder sinken. Ich bekam nichts hinunter. Vanessa Ott schien ausnahmsweise
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