Die Beste Zum Schluss
Luft durch die Nase wieder aus und schüttelt den Kopf.
»Es ist so verrückt, dass wir uns gerade jetzt treffen.«
Ich halte mein Glas in die Höhe und strahle sie an.
»Ja, wirklich schade, dass ich in dich verliebt bin und du gerade aus einer Beziehung mit einem Psycho kommst. Es hätte schön werden können.«
Dazu sagt sie nichts mehr. Dafür trinkt sie einen Schluck Wein. Ich spüre die Wärme ihres Körpers neben mir. Der Anblick, wie sie heute früh in meinem Bett aussah, steht wie in Stein gemeißelt vor meinen Augen.
»Ich hab ’ne Idee«, verrate ich ihr. »Du reist morgen ab, erholst dich im Urlaub von dem Irren, ich entliebe mich in der Zwischenzeit, und wenn du wiederkommst, bin ich zurechnungsfähig, und wir können uns ganz normal kennenlernen. Wenn es mit uns nicht klappt, kannst du immer noch hier in die Polterkammer einziehen und meine zweite Patchworkfamilien-Mitbewohnerin werden. Die Kids mögen dich, und Rene braucht einen Babysitter.«
»Mads«, sagt sie und gibt ein kleines Geräusch von sich, das wie ein Seufzen klingt. »Ich mache nicht Urlaub, ich wandere vielleicht aus.«
Wieder ein Stich. Ich versuche, ihre Augen zu erkennen, aber das Licht reicht dafür nicht mehr.
»Wie kann man denn ›vielleicht‹ auswandern?«
Sie wischt sich mit einer Hand über die Haare und verändert ihre Silhouette.
»Ich habe meine Wohnung aufgelöst und reise sechs Monate durch Kanada, Amerika und, wenn ich so weit komme, Südamerika. Wenn ich irgendwo einen Ort finde, an dem ich mich wohlfühle …«, sie zieht die Schultern hoch, »… bleibe ich.«
Mein Glas ist leer. Ich fülle schnell nach und nehme einen tiefen Schluck. Sie hält mir ihr Glas hin, ich bin nicht der Einzige, der was braucht.
»Und …«, beginne ich und weiß dann nicht weiter.
Sie lässt ihren Blick über die Hausdächer schweifen.
»Es ist der perfekte Zeitpunkt. Ich bin Mitte dreißig, habe meinen Job gekündigt, habe keine Kinder und …« Sie zieht eine Grimasse. »Wenn nicht jetzt, wann dann?«
Ich nicke und warte, dass sie lacht. Tut sie nicht. Sie scheint es ernst zu meinen.
»Solche Chancen muss man beim Schopf packen«, sage ich.
»Ja«, sagt sie und stößt ihr Glas gegen meines. »Carpe diem.«
Darauf trinken wir. Ich setze mein Glas ab und mustere sie aus dem Augenwinkel, diese Frau, die ich erst seit einem Tag kenne und die mir näher ist als Isabella nach einem Jahr. Mag sein, dass es Hormone sind, aber es fühlt sich anders an. Isa musste ich haben. Ich musste sie kriegen und besitzen. Mit der blassen Frau neben mir möchte ich einfach Zeit verbringen und sie kennenlernen. Und vielleicht möchte ich danach mit ihr weitergehen. Aber sicher nicht nach Kanada. Kanada. Morgen. Nachher. In zehn Stunden. Der reinste Irrsinn.
»Und das kannst du? Einfach deine Heimat verlassen und wegbleiben?«
Sie zögert.
»Ich weiß, wie viele Auswanderer zurückkommen. Vielleicht komme ich ja auch zurück. Aber ich muss es probieren. Ich bin jetzt vielleicht zum letzten Mal in meinem Leben ungebunden.«
Da ich nicht weiß, was ich dazu sagen soll, sage ich, was ich denke.
»Bleib hier.«
Ihr Körper versteift sich merklich.
»Sag das bitte nicht … «, flüstert sie. »Du hast hier dein perfektes Leben mit Rene und den Kindern …«
Sie stellt das Glas aufs Dach und steht auf. Ich stehe ebenfalls auf und hebe beschwichtigend die Hände.
»Ich meinte, heute Nacht. Bleib hier. Lass uns heute Nacht zusammen sein, unser letzter Abend.«
Sie starrt mich an. Ihr Körper ist angespannt. Ich merke, dass ich zwischen ihr und der Tür stehe und trete einen Schritt zur Seite.
»Wir stellen uns den Wecker, ich helfe dir morgen früh beim Packen und bringe dich zum Flughafen.«
Der Weg zur Tür ist frei, doch sie bewegt sich nicht.
»Wieso sollten wir das tun?« Ihre Stimme klingt angespannt, aber immerhin stößt sie mich nicht vom Dach. »Morgen bin ich weg, und dann jammern wir nur herum, wie toll es mit uns geworden wäre, und dann bin ich schuld, weil ich weggegangen bin.«
»Nein«, sage ich, mache langsam einen Schritt auf sie zu und greife vorsichtig nach ihren Händen. »Eva … Morgen fliegst du um die Welt, aber es ist mir scheißegal, was morgen ist, heute will ich dich in meiner Nähe, und zwar so nahe, wie es geht, und wenn ich deswegen die nächsten Monate durchhänge, ist das okay. Weißt du, ich habe ewig nicht mehr …«
Etwas schnürt mir die Kehle zu, ich ziehe sie endlich an mich. Als meine
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