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Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbæk
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ihr Manager werden, dann müsste ich nie wieder ins Büro.
    »Na gut«, seufze ich, »und wir behalten die Klamotten an.«
    Sie versucht, ernst zu bleiben, schafft das aber nicht wirklich. Die Fältchen um ihre Augen vertiefen sich.
    »Überredet«, lacht sie.
    In Deutschland eine Wohnung mit Dachterrasse zu haben gleicht der Suche nach dem perfekten Partner – beides zeugt von einem gewissen Optimismus. In Köln werden die Klimaveränderungen besonders deutlich. Hier regnet es im Sommer sechs Prozent und im Winter sogar zwanzig Prozent mehr als vor hundert Jahren. Vielleicht hat der Hauseigentümer das vorher geahnt, jedenfalls hat er das Dach nie ausgebaut. Man kann zwar hier hoch, darf es aber eigentlich nicht, weil es kein Geländer gibt. Es ist bloß ein ungesichertes Hausdach von zwanzig Quadratmetern, und wo die enden, geht es steil nach unten. Der Wind pfeift, und wenn es regnet, ertrinkt man. Doch sogar unter solchen Bedingungen hat es seinen Reiz, und heute erst recht. Der Sturm hat sich verzogen, und am Horizont geht eine Restsonne unter und hinterlässt einen Himmel, der vom Blau ins Ernsthaftere wechselt wie eine alternde Schauspielerin.
    Wir stehen nebeneinander mit einem Weinglas in der Hand und schauen zu, wie die Sonne am Horizont versinkt und Platz für die Dämmerung macht. Eva atmet tief durch. Eine friedliche Stille breitet sich aus. Manchmal berührt ihre Schulter meine. Ich weiß wirklich nicht, wann ich zuletzt mit jemandem so gut geschwiegen habe.
    »Wunderschön«, murmelt sie.
    Ich breite eine Decke auf dem Dach aus und zünde eine Kerze an. Eva steht immer noch da und blickt in die Ferne. Sie scheint vergessen zu haben, dass sie losmuss. So was kann dieser Ort. Man ist so weit oben, dass man runterkommt.
    »Wenn die Krankenkassen in Sachen Prävention weiter wären, würden sie sich an Baukosten von Dachterrassen beteiligen, was?«
    Sie nickt, doch als ich versuche, ihr Glas nachzufüllen, hält sie ihre Hand drüber und wirft der ausgebreiteten Decke einen Blick zu.
    »Ich muss los«, sagt sie.
    »Wieso?«, frage ich und fülle mein Glas nach.
    »Ich muss noch packen.«
    »Wo soll’s denn hingehen?«, frage ich und setze mich auf die Decke. »Meeting in Berlin? Shoppen in Mailand?«
    Sie senkt ihre Augen und spielt mit dem Weinglas. Was sie auch immer zu tun hat, es scheint ein schwieriges Thema zu sein. Ich klopfe neben mir auf die Decke. Sie zögert kurz, dann murmelt sie irgendwas, das ich nicht verstehe, und setzt sich im Schneidersitz neben mich.
    »Ich wollte es dir schon früher sagen …«
    »Du bist Drogenkurier?«
    Sie lacht nicht. Stattdessen wendet sie ihr Gesicht ab und schaut über die Dächer.
    »Ich fliege morgen nach Kanada.«
    Mein Herz sackt weg.
    »Kanada? Hast du eine Sonnenallergie oder was?«
    In der zunehmenden Dunkelheit blinken ihre Zähne.
    »Du warst noch nie in Kanada, oder?«
    »Sonnenbrille, Bikini, Beachbar?«
    »Kann man haben«, bestätigt sie, »aber deswegen fliege ich nicht dahin.«
    »Sondern?«
    Ihre Hände bewegen sich. In der Dämmerung wirken sie wie die Handschuhe einer Pantomime.
    »Wegen des Meeres. Wegen der Wale. Wegen der tausend Kilometer unberührter Natur. Vor allem aber, weil die Kanadier nette Menschen sind und ich ein kleines Paradies entdeckt habe …« Sie macht eine kurze Pause und schaut mich an. »Tofino.«
    »Gesundheit.«
    Sie lächelt.
    »Das ist ein Ort. Und zwar der schönste auf der Welt. Die Wellen sind einfach perfekt zum Surfen.«
    »Surfen«, sage ich. »In Kanada.«
    »Genau.« Sie nickt euphorisch. »Wenn man im Pacific Rim Park durch den Regenwald läuft, kommt man zu den schönsten Stränden, die ich je gesehen habe. Die Wellen da sind einfach unglaublich.« Sie wedelt mit den Händen herum, um ihre Aussagen zu unterstreichen. »Die ganze Ecke da oben ist fantastisch. Es gibt Wale, Delfine, Seehunde, Walrösser, Bären, Adler, und wenn die Sonne scheint und alles ohne Nebel daliegt, dann ist das einer der magischsten Orte der Welt. Jedes Mal wenn ich von dort zurückkomme, stehe ich hier die ersten Wochen unter Schock.«
    »Es geht mir manchmal schon so, ohne wegzufahren«, sage ich und nutze eine Unachtsamkeit in ihrer Deckung, um ihr einen kleinen Anstandsschluck nachzufüllen.
    Sie schaut auf ihr Glas, zieht es aber nicht weg.
    »Wann geht dein Flug?«, frage ich und fülle ihr Glas bis zum Rand.
    »Um sieben«, murmelt sie.
    Noch zehn Stunden …
    »Und wann kommst du wieder?«
    Sie atmet ein, stößt die

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