Die besten Freunde meines Lebens - Roman
jemanden, der das tun würde. Wenn er es zuließ.
Die andere Person auf dem Foto.
13. Kapitel
»Bist du noch am Korrigieren?«
Lizzie schreckte hoch. Sie war so in ihr Gartenbuch ver tieft gewesen, dass sie Gerrys Schlüssel gar nicht gehört hatte. Obwohl sie erst beim April angelangt war, füllten die Dinge, die bis dahin gemacht sein sollten, bereits drei Heftseiten.
»Ein Gartenbuch?« Verwundert sah Gerry sie an.
Verstohlen kickte Lizzie mit dem Fuß die halb aufgegessene Schokoladenkekspackung unter den Couchtisch, damit Gerry sie nicht sah. Erst heute früh hatte er sie am Hintern gepackt, als sie sich in ihre Jeans Größe zweiundvierzig zwängte – Jeans, die inzwischen am Bauch einschnitten und über deren Bund sich ein unansehnliches Fettröllchen wölbte –, und eine Bemerkung über prall gefüllte Jeans gemacht.
Wie war das nur passiert? Im letzten Herbst hatte sie noch bequem in Größe vierzig gepasst. Und inzwischen war sie kurz davor, die zweiundvierzig gegen die vierundvierzig zu tauschen, die sie für Notfälle unter ihrem Bett aufbewahrte. Manche Menschen, vor allem jene, die keine Gewichtsprobleme hatten – zum Beispiel Nicci –, reagierten auf Kummer mit Appetitlosigkeit. Die Herzschmerz-Diät.
Bei Lizzie verhielt es sich genau anders herum: je mehr Kummer, desto mehr Kalorien. Zurzeit sah diese Gleichung folgendermaßen aus:
1. Mutter mit Alzheimer – eine Packung Schokoladenkekse
2. Streit mit Schwester wegen Mutter – eine ganze Packung Chips
3. Beisetzung der besten Freundin – eine Flasche Weißwein, eine Tüte Erdnüsse, eine Take-away-Pizza und wenn nötig, das Ganze noch einmal
4. Streit mit Gerry, ob sie ihren Beruf als Lehrerin aufgeben sollte, um eine gute Fra u /Mutter zu werden; über ihre Unpünktlichkeit; über das, was er / sie am Wochenende unternahmen * – das geschah so oft, dass es kaum mehr als die Tafel Blockschokolade wert war, die sie vor sich selbst in der hintersten Ecke des Kühlschranks versteckt hatte.
* Nichtzutreffendes streichen
Hunger hatte damit nichts zu tun.
Sie klappte das Gartenbuch zu und hob Gerry das Gesicht entgegen, um seinen Kuss in Empfang zu nehmen. Gerry neigte zu extremem Bartwuchs; wenn er sich morgens rasierte, hatte er mittags bereits einen Bart. Jetzt war es später Nachmittag. An manchen Tagen hatte Lizzie das Gefühl, sie würde allein schon von seinem Anblick einen Ausschlag kriegen.
»Puh«, sagte sie. »Du hast eine Bierfahne.«
»Die habe ich mir auch verdient«, erwiderte er mit einem Blinzeln. »Neunzehntes Loch.«
»Ich dachte, heute war Rugby.« Sie brauchte nicht auf die Uhr zu schauen, um zu wissen, dass er weit mehr Stunden im Klubhaus als auf dem Golfplatz verbracht hatte.
»Golf. Habe ich dir heute Morgen gesagt. Wie auch immer, ich wusste ja, dass du unterwegs bist, und bin deshalb mit den Jungs danach noch auf ein paar Bier gegangen.«
Und mit dem Auto nach Hause gefahren?, lag Lizzie auf den Lippen, doch sie verkniff es sich. Stattdessen griff sie nach ihrem Buch und blätterte zu einer Rubrik über Kompost.
Was war der Unterschied zwischen Torf-, Lehm- und Heidekraut-Kompost? Wen kümmerte das und warum war es überhaupt wichtig? Es war ihr unvorstellbar, dass Nicci sich mit so etwas beschäftigt haben sollte. Nicci war doch eher der »einbuddeln und warten, was rauskommt«-Typ gewesen, oder?
»Wie geht’s deiner Mum?«
»Unverändert«, sagte Lizzie. »Sie hält mich immer noch für Tante Kathleen … Aber danke der Nachfrage.«
Gerry ging neben Lizzies Sofa in die Hocke, schlang die Arme um sie und strich mit den Fingern über ihre Brüste. Sein Atem an ihrem Ohr verströmte Bierdunst. Lizzie musste an sich halten, um sich nicht zu verkrampfen.
»Ich bin froh, dass du diesmal nicht so deprimiert bist«, sagte er, während er mit einer Hand ihre Brust umfasste.
Lizzie war nicht in Stimmung, ganz und gar nicht. Manche Leute konnten sich im Sex verlieren, ihn als Entspannung nutzen. Zum Beispiel Mona. Und auch Nicci, als sie zusammen an der Uni waren.
Für Lizzie galt das nicht.
Sie hatte sich deswegen immer ein wenig ausgeschlossen gefühlt. Ein wenig verklemmt – frigide hatte sie irgendein widerlicher Kerl, der Rugby spielte, mal genannt –, aber so war sie nun mal. Sie brauchte das Gefühl von Nähe, musste sich geliebt und gemocht fühlen, um Sex haben zu wollen. Und bei Gerry hatte sie das in den Anfangsjahren auch gehabt, aber inzwischen …
»Gehen wir nach
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