Die besten Freunde meines Lebens - Roman
sie an, noch bevor sie etwas sagen konnte. »Die Mädchen sind im Moment etwas schwierig. Es hat ewig gedauert.«
»Das ist verständlich«, sagte Lynda Webster. »Schließlich haben sie vor nicht allzu langer Zeit ihre Mutter verloren. Kein Wunder, dass sie durcheinander sind.«
»Das trifft es nur zum Teil.« David nahm einen tiefen Schluck Courvoisier und spürte, wie sich eine wohltuende Wärme in ihm ausbreitete. »Sie sind vor allem traurig.«
»Und Sie haben wirklich nie von mir gehört?«
»Ich wusste, dass es Sie gibt. Aber mehr auch nicht. Sie hat mir nicht erzählt, Sie seien tot, wenn das Ihre Frage sein sollte.«
»War es nicht«, erwiderte die Frau knapp. »Und mehr nicht?«
»Sie haben sich noch vor Niccis Studienbeginn zerstritten. Das ist alles, was ich weiß.«
»Zumindest ist das die Wahrheit.«
»Ich würde Ihnen gern etwas anderes erzählen«, sagte David. »Aber Nicci hat nie über Sie gesprochen. Das war eine ihrer Bedingungen, von Anfang an. Sie kannte ihren Dad nicht, und sie hatte mit Ihnen in ihrer Jugend einen Riesenstreit und seitdem nicht mehr mit Ihnen gesprochen. Thema beendet.«
»Thema beendet?«
»Das waren Niccis Worte.«
»Und Sie haben nicht nachgefragt?«
»Natürlich habe ich das!« Nur mühsam gelang es David, die Beherrschung zu wahren. Was glaubte diese Frau, wer sie war?
»Ich wollte damit keinesfalls andeuten …«
»Doch, das wollten Sie«, fuhr ihr David über den Mund. » Natürlich habe ich sie nach ihrer Familie gefragt . Herrgott noch mal, ich war schließlich mit ihr verheiratet!«
War. Tränen schossen ihm in die Augen.
Bin, dachte er. Bin mit ihr verheiratet.
Er schloss die Augen, holte einmal tief Luft, dann noch einmal. »Ich habe sie nur zweimal gefragt«, sagte er, als er sich wieder gefasst hatte. »Zu Beginn unserer Beziehung, als ich noch nicht wusste, dass dieses Thema auf Niccis Tabu-Liste stand.«
»Tabu-Liste …«, wiederholte die Frau hörbar geschockt.
Das sah ihm eigentlich gar nicht ähnlich, dachte David. Warum knallte er ihr alles so hin? Was immer man dieser Frau auch vorwerfen mochte, an Niccis Tod war sie nicht schuld. Doch sie hatte gefragt, und aus irgendeinem Grund fühlte er sich verpflichtet, die Wahrheit zu sagen.
»Hören Sie«, sagte David, und es klang fast wie ein Befehl. »Als ich sie am Anfang unserer Beziehung einmal danach gefragt habe, ist sie aufgestanden, aus meinem Zimmer marschiert und hat mich danach eine Woche lang vollständig gemieden. Als sie zurückkam, sagte sie, sie würde nur unter der Bedingung mit mir zusammenbleiben, dass ich sie niemals wieder danach fragte. Ich glaubte, ich hätte sie verloren. Also stimmte ich zu, da es mir das Risiko nicht wert war. Ich ertrug es nicht, sie verletzt zu sehen, ich habe sie geliebt – liebe sie bis heute.«
»Und als die Babys zur Welt kamen, hat sie da nicht …« Die Frau holte tief Luft. »Haben Sie nie …«
»Ich weiß, was Sie hören wollen«, sagte David ruhig. »Aber es wäre eine Lüge. Nicci hat Sie nie erwähnt. Nicht bei unserer Hochzeit. Nicht bei der Geburt von Charlie und Harrie. Nicht einmal, als sie …«
Er brachte es nicht über sich, diesen Satz zu beenden.
»Das habe ich vermutet. Deshalb habe ich angerufen. Als ich las, dass sie gestorben ist, dachte ich … nun ja, ich wartete ab, ob ich etwas höre. Ich dachte, sie hätte mir vielleicht etwas hinterlassen.«
David spannte sich an, seine Finger krallten sich wie ein Schraubstock um das Telefon.
»Oh, nein, nein, nicht das«, sagte Niccis Mutter, als hätte sie seine Gedanken gelesen. »Geld habe ich damit nicht gemeint. Obwohl ich weiß, dass sie ziemlich wohlhabend war. Jedenfalls für meine Begriffe. Ich möchte nicht, dass Sie denken, ich hätte deswegen angerufen. Ich dachte eher an einen Brief oder irgendeine Kleinigkeit.«
»Eine Kleinigkeit?«
»Eine Brosche …?«
Es war eigentlich keine Frage, beiden war klar, dass sie die Antwort bereits kannte. Ihre Stimme war mehr aus Hoffnung denn aus Erwartung angestiegen.
Ein Zittern durchlief David, als er sich erinnerte, wie er in der frühen Phase ihrer Beziehung mit Nicci mitten im Winter an dem Kiesstrand gewesen war. Sie hatte die Hand in die Tasche geschoben und eine Silberbrosche herausgenommen. Eine ganz gewöhnliche Brosche. So gewöhnlich, dass man sie für Blech hätte halten können.
»Was ist das?«, hatte er gefragt.
Sie hatte keine Antwort gegeben. Einen Moment lang hatte er geglaubt, sie würde die
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