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Die Bestie von Florenz

Die Bestie von Florenz

Titel: Die Bestie von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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einem unauffälligen Gebäude in einem Gewerbegebiet am Rand von Florenz untergebracht war. Der ehemalige Polizist empfing uns in seinem Büro. Er war jeder Zoll der Krimi-Kommissar in einem blauen Nadelstreifenanzug vom allerfeinsten Florentiner Schnitt. Das lange graue Haar fiel ihm fast bis auf die Schultern, und er sah auffallend gut aus, schneidig und lebhaft. Er sprach mit einem verwegen klingenden Neapolitaner Akzent, warf hier und da sehr wirkungsvoll ein bisschen Gangster-Slang ein und redete mit den Händen, wie es nur ein Neapolitaner kann.
    Ehe wir zu der Villa fuhren, gingen wir gemeinsam mittagessen. Zaccaria lud uns in ein kleines Lokal in der Nähe ein und unterhielt uns bei einem Teller maltagliati al cinghiale mit Geschichten über seine Undercover-Einsätze, bei denen er sich in Drogenschmugglerringe eingeschleust hatte; manche davon gehörten zur amerikanischen Mafia. Ich staunte darüber, dass er noch am Leben war. »Nando«, sagte Spezi. »Erzähl Doug die Geschichte von Catapano.«
    »Ah, Catapano! Das war mal ein echter Neapolitaner!« Er wandte sich mir zu. »Die neapolitanische Camorra hatte einmal einen Boss namens Catapano. Er kam wegen Mordes ins Poggioreale-Gefängnis in Neapel. Zufällig saß auch der Mörder seines Bruders in diesem Knast. Catapano schwor Rache. Er sagte: Ich werde sein Herz essen. «
    Zaccaria nahm sich einen Moment Zeit, sich seine maltagliati schmecken zu lassen und einen Schluck Wein zu trinken.
    »Langsamer«, sagte Spezi. »Und sprich nicht so viel Dialekt. Doug kann dich kaum verstehen.«
    »Bitte um Verzeihung.« Er fuhr mit seiner Geschichte fort. Die Gefängnisleitung brachte die beiden Männer streng getrennt an gegenüberliegenden Enden des Gebäudes unter und sorgte dafür, dass sie sich nie begegneten. Aber eines Tages erfuhr Catapano, dass sein Erzfeind auf der Krankenstation lag. Er nahm mit einem Löffel, der zu einer scharfen Klinge geschliffen war, zwei Wachen als Geiseln, erzwang sich den Zutritt zur Krankenabteilung und den Schlüssel und trat ein. Er überraschte drei Krankenschwestern und einen Arzt. Sofort fiel er über seinen Gegner her, schlitzte ihm die Kehle auf und stach auf ihn ein, zum Entsetzen des Arztes und der Schwestern. Dann schrie er mit halb erstickter Stimme: »Wo ist das Herz? Wo ist die Leber?« Er bedrohte den Arzt, der Catapano daraufhin eine schnelle Anatomie-Lektion erteilte. Mit einem gewaltigen Hieb seiner Klinge schlitzte Catapano den Feind auf, riss ihm Herz und Leber heraus, hielt je ein Organ in einer Hand, und dann nahm er von beiden einen Bissen.
    »Catapano«, sagte Zaccaria, »wurde bei seinen Leuten zur Legende. In Neapel bedeutet das Herz einfach alles – Mut, Glück, Liebe. Es dem Feind herauszureißen und hineinzubeißen bedeutet, dass man ihn zu einem bloßen Stück Fleisch herabwürdigt, tierischem Fleisch. Damit entreißt man ihm alles, was ihn menschlich macht. Und der ganze Medienrummel danach war sehr nützlich, denn er sandte Catapanos Feinden die Nachricht, dass er seine Rache auf die raffinierteste Weise vollstrecken konnte, selbst im Gefängnis. Catapano hatte seinen Mut bewiesen, sein Organisationsgeschick, seinen hervorragenden Sinn fürs Dramatische, und all das in einem Hochsicherheitsgefängnis, einem der besten in Italien, vor den Augen von fünf entsetzten Zeugen!«
    Nach dem Mittagessen machten wir uns in Spezis Wagen auf zur Villa Bibbiani, in eiskaltem Nieselregen unter einem Himmel, der die Farbe toter Haut hatte. Es regnete immer noch, als wir dort ankamen, durch ein zweiflügeliges schmiedeeisernes Tor und dann eine lange, kurvige Auffahrt entlangfuhren, die von gewaltigen Schirmkiefern gesäumt war. Wir stellten den Wagen auf dem Parkplatz ab, holten unsere Regenschirme heraus und gingen zum Verkaufsraum. Die Holztür war verschlossen. Eine Frau beugte sich aus dem Fenster und sagte, der Verkauf sei über Mittag geschlossen. Zaccaria bot seinen ganzen Charme auf und fragte sie nach dem Gärtner, und sie antwortete, den würden wir wohl hinter dem Haus finden. Wir gingen unter einem hohen Bogen hindurch und betraten einen phantastischen, geometrisch angelegten Garten hinter der Villa, mit breiten Marmortreppen, Springbrunnen, spiegelnden Teichen, Statuen und akkuraten Hecken. Die Villa war ursprünglich im 16. Jahrhundert von der Familie Frescobaldi aus Florenz erbaut worden. Die Gartenanlagen hatte Graf Cosimo Ridolfi hundert Jahre später geschaffen; im 19. Jahrhundert waren Gärten

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