Die Bestie von Florenz
anderen Story, die nichts mit der Bestie von Florenz zu tun hatte, einem ehemaligen Häftling namens Luigi Ruocco begegnet. Dabei hatte sich herausgestellt, dass dieser Kleinkriminelle ein alter Bekannter von Antonio Vinci war. Ruocco hatte Spezi eine Wahnsinnsgeschichte erzählt – eine Geschichte, die den Fall förmlich in die Luft jagen würde. »Das ist der Durchbruch, nach dem ich seit zwanzig Jahren suche«, erzählte Mario mir. »Doug, es ist einfach unglaublich. Mit dieser neuen Information kann der Fall endlich gelöst werden. Sie haben mein Telefon angezapft, und E-Mails sind auch nicht sicher. Du musst also nach Italien kommen, dann kann ich dir alles genau erklären. Du wirst dabei sein, Doug. Gemeinsam werden wir die Bestie entlarven! «
Ich flog am 13. Februar 2006 mit meiner Familie nach Italien. Wir quartierten uns in einer spektakulären Wohnung an der Via Ghibellina ein, die uns ein Freund überließ; sie gehörte einem der Ferragamo-Erben. Noch am selben Tag fuhr ich hinaus zu Spezi, um mir die unglaublichen Neuigkeiten anzuhören.
Beim Abendessen erzählte Mario mir die Geschichte.
Vor ein paar Monaten hatte er für einen Artikel über eine Frau recherchiert, die zum Opfer eines Arztes geworden war. Der Arzt, der für eine Pharma-Firma arbeitete, hatte sie ohne ihr Einverständnis als Versuchsperson für ein neues psychopharmakologisches Medikament benutzt. Auf den Fall hatte ihn Nando Zaccaria aufmerksam gemacht, ein ehemaliger Kommissar, der darauf spezialisiert gewesen war, Drogenhändlerringe zu infiltrieren, und der jetzt eine private Sicherheitsfirma in Florenz leitete. Als wahrer Ritter wider das Unrecht hatte Zaccaria unentgeltlich Beweise gesammelt und so dazu beigetragen, dass der Arzt schuldig gesprochen wurde, weil er der Frau mit seinen illegalen Experimenten geschadet hatte. Er wollte, dass Spezi darüber schrieb.
Eines Abends saß Spezi bei der Geschädigten zu Hause, zusammen mit ihrer Mutter und Zaccaria. Beiläufig erwähnte er seine Arbeit am Fall der Bestie von Florenz und holte ein Foto von Antonio Vinci heraus, das er an diesem Tag zufällig bei sich hatte. Die Mutter, die gerade Kaffee einschenkte, warf einen Seitenblick auf das Foto und rief plötzlich aus: »Nein, so etwas, Luigi kennt diesen Mann da! Und ich kannte ihn auch, und alle seine Leute, als ich noch ein kleines Mädchen war. Ich erinnere mich daran, dass sie mich oft auf ihre Feste irgendwo auf dem Land mitgenommen haben.« Der Luigi, von dem sie sprach, war Luigi Ruocco, ihr Ex-Mann.
»Ich muss Ihren Mann unbedingt kennenlernen«, sagte Spezi.
Am nächsten Abend versammelten sie sich um denselben Tisch: Zaccaria, Spezi, die Frau und Luigi Ruocco. Ruocco war geradezu die Verkörperung des kriminellen Schlägers, schweigsam, mit einem Stiernacken, einem mächtigen, kantigen Gesicht und braunen Locken. Er trug Trainingsklamotten. Doch in seinen Augen lag ein wachsamer, aber offener Ausdruck, der Spezi gefiel. Ruocco sah sich das Foto an und bestätigte, dass er Antonio und die anderen Sarden sehr gut kannte.
Spezi gab Ruocco eine kurze Zusammenfassung der Bestien-Geschichte und erklärte ihm seine Vermutung, Antonio könnte die Bestie sein. Ruocco hörte sich alles interessiert an. Nach wenigen Minuten kam Spezi zur wichtigsten Frage: Wusste Ruocco von einem geheimen Unterschlupf, den Antonio während der Zeit der Morde benutzt haben könnte? Spezi hatte mir gegenüber oft erwähnt, die Bestie habe vermutlich ein verlassenes Haus, vielleicht nur eine Ruine, irgendwo auf dem Land benutzt, als Rückzugsort vor und nach einem Mord, wo er seine Pistole, das Messer und andere Dinge verstecken konnte. Zur Zeit der Mordserie hatte es überall in der Toskana solche verlassenen Häuser gegeben.
»Ich habe so was gehört«, sagte Ruocco. »Ich weiß nicht, wo das Haus ist. Aber ich kenne einen, der es weiß. ’gnazio.«
»Aber natürlich, Ignazio!«, rief Zaccaria aus. »Er kennt einen ganzen Haufen Sarden.«
Ruocco rief Spezi ein paar Tage später an. Er hatte mit Ignazio gesprochen und wusste jetzt über Antonios Zufluchtsort Bescheid. Spezi und Ruocco trafen sich vor einem Supermarkt außerhalb von Florenz. Sie zogen sich in ein Café zurück, wo Mario einen Espresso hinunterkippte und Ruocco einen Campari mit einem Schuss Martini trank. Was Ruocco zu sagen hatte, elektrisierte Spezi. Ignazio wusste nicht nur, wo das Versteck lag, er war sogar selbst mit Antonio in dem Haus gewesen, erst einen Monat zuvor.
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