Die Bestie von Florenz
Zeug, und ich musste lächeln, während Zanobini diese Zeugenaussage vorlas. Aber fröhlich war ich nicht; ich konnte nicht vergessen, dass ich teilweise wegen Carlizzis gewissenloser, boshafter Verleumdungen im Gefängnis gelandet war.
Der erste Verhandlungstag von Calamandreis Prozess endete mit einem klaren Sieg für die Verteidigung. Richter De Luca setzte für die nächsten drei Verhandlungstage den 27., 28. und 29. November an. Unterbrechungen dieses Ausmaßes sind in Italien leider die Norm.
Das war das Ende der E-Mail.
Ich rief Mario an. »Ich bin jetzt also beim amerikanischen Geheimdienst? Verdammt.«
»Am nächsten Tag stand alles haarklein in der Presse.«
»Was willst du jetzt wegen dieser absurden Anschuldigungen unternehmen?«
»Ich habe die Frau bereits wegen Verleumdung verklagt.«
»Mario«, sagte ich, »die Welt ist voller Verrückter. Wie kommt es dazu, dass in Italien ein Staatsanwalt die Aussagen solcher Leute als ernsthaften Beweis wertet?«
»Weil Mignini und Giuttari nie aufgeben werden. Das ist ein klarer Hinweis darauf, dass sie es immer noch auf mich abgesehen haben und versuchen werden, mir zu schaden, auf die eine oder andere Weise.«
Während ich dies schreibe, läuft der Prozess gegen Calamandrei weiter. Ein Freispruch erscheint so gut wie sicher, so dass der alte Apotheker das, was von seinem ruinierten Leben übrig ist, in Freiheit verbringen kann – ein weiteres Opfer der Bestie von Florenz.
Die Ermittlung gegen die Bestie schleppt sich weiter fort, und es ist kein Ende in Sicht. Spezis Verleumdungsklage gegen Giuttari wurde vom Gericht abgewiesen. Von seiner Anzeige gegen Giuttari und Mignini wegen des Schadens an seinem Auto hat er nie wieder etwas gehört. Das Urteil des Obersten Gerichtshofs zu Spezis Gunsten erlaubte ihm immerhin, eine Entschädigung für seine unrechtmäßige Inhaftierung zu verlangen. Spezi forderte 300 000 Euro; die Anwälte des Staates Italien machten ein Gegenangebot von 4500 Euro. Mignini zögert den offiziellen Abschluss der Ermittlungen gegen Spezi hinaus, behauptet aber zugleich, Spezi könne wegen laufender Ermittlungen überhaupt keinen Schadenersatz verlangen.
Im November 2007 kam Mignini ein zweiter spektakulärer Fall unter, der brutale Mord an einer britischen Studentin namens Meredith Kercher in Perugia. Mignini ließ rasch eine amerikanische Studentin, Amanda Knox, verhaften, die er verdächtigte, in den Mord verwickelt zu sein. Zum Zeitpunkt, da ich dies schreibe, wartet Knox im Capanne-Gefängnis auf den Ausgang von Migninis Ermittlungen. An die Presse ist bisher durchgesickert, dass Mignini eine unwahrscheinliche Theorie über Knox aufgestellt habe, über zwei angebliche Mitverschwörer und ihren finsteren Plan, der sich um exzessiven Sex, Gewalt und Vergewaltigung drehte.
Wie aufs Stichwort hieß es in der Presse, dass die Staatsanwaltschaft Perugia in Richtung eines Satanskults ermittle, weil das Verbrechen in der Nacht auf Allerheiligen verübt worden war. »Ich wette zehn zu eins«, sagte Niccolò dazu, »dass sie irgendwann die Bestie von Florenz in die Geschichte hineinziehen werden.« Diese Wette ging ich nicht ein.
Binnen einer Woche nach dem Mord hatte Gabriella Carlizzi sich auf ihrer Website der Sache angenommen:
Meredith Kercher: ein brutaler Mord … Mögliche Verbindung zum Fall Narducci und der Bestie von Florenz, um durch ein Menschenopfer den Schutz Satans zu erbitten? Zu welchem Zweck? Letztlich zu dem Zweck, jene zu schützen, gegen die im Fall Narducci ermittelt wird und die für seinen Tod verantwortlich sind.
Giuttari wurde wegen Strafvereitelung im Fall der Bestie freigesprochen, aber wegen Falschaussage in einem anderen Fall zu einer ausgesetzten Haftstrafe verurteilt.
Am 16. Januar 2008 fand die erste Vorverhandlung im Prozess gegen Giuttari und Mignini statt, denen Amtsmissbrauch vorgeworfen wurde und in Migninis Fall zusätzlich Befangenheit zugunsten Giuttaris. Der Oberstaatsanwalt von Florenz, Luca Turco, schockierte das Gericht mit seiner drastischen Ausdrucksweise. Die beiden Angeklagten, sagte er, seien »zwei vollkommen gegensätzliche Persönlichkeiten«. Mignini befinde sich »in den Fängen eines Deliriums auf einer Art Kreuzzug« und sei »bereit, sich mit allen Mitteln gegen jeden zu verteidigen, der seine Ermittlungen kritisiert«. Giuttari hatte diese geistige Verwirrung ausgenutzt, erklärte Turco, »in seinem eigenen, rachsüchtigen Interesse, das weit über die Grenzen seiner
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