Die Bestimmung - Letzte Entscheidung: Band 3 (German Edition)
für diejenige, die die Menschen rettet, die man liebt. Ich hätte Evelyn nicht gerettet, wenn ich ihr dieses Serum verabreicht hätte. Ich hätte ihr alles genommen.
Peter sitzt mit dem Rücken zur Wand im Gang. Er blickt auf, als ich mich über ihn beuge. Geschmolzener Schnee hat sein Haar auf seine Stirn geklebt.
» Hast du die Sache durchgezogen? « , fragt er.
» Nein « , antworte ich.
» Dachte ich mir doch, dass du nicht die Nerven dazu hast. «
» Darum geht es nicht. Weißt du was – vergiss es. « Ich schüttele den Kopf und halte ihm die Ampulle mit dem Gedächtnisserum hin. » Bleibst du bei deiner Meinung? «
Er nickt.
» Du könntest auch einfach an dir arbeiten « , sage ich. » Bessere Entscheidungen treffen, ein besseres Leben führen. «
» Ja, das könnte ich « , gibt er zurück. » Aber das werde ich nicht. Das weißt du so gut wie ich. «
Er hat recht. Ich weiß, dass Veränderung schwierig und langwierig ist, dass sie aus einer endlos langen Reihe kleiner Schritte besteht, an deren Ende man sich kaum noch an den ersten Schritt erinnern kann.
Er hat Angst, dass er diesem Weg nicht gewachsen ist, dass er diese Tage vergeuden wird, um am Ende schlimmer dran zu sein als jetzt. Und ich verstehe dieses Gefühl – ich weiß, wie es ist, Angst vor sich selbst zu haben.
Also lasse ich Peter auf einem der Sofas Platz nehmen und frage ihn, was ich ihm von seiner eigenen Vergangenheit erzählen soll, nachdem seine Erinnerungen sich wie Rauch verflüchtigt haben. Er schüttelt nur den Kopf. Nichts. Er will alles zurücklassen.
Peter nimmt die Ampulle mit zitternden Fingern und schraubt den Verschluss ab. Das Glas bebt in seinen Händen und die Flüssigkeit schwappt beinahe über den Rand. Peter hält sie sich unter die Nase, um daran zu riechen.
» Wie viel soll ich trinken? « , fragt er, und ich glaube fast, seine Zähne klappern zu hören.
» Ich denke nicht, dass es darauf ankommt « , antworte ich.
» In Ordnung. Na dann … los geht’s. « Er hebt die Ampulle hoch ins Licht, als wollte er mir zuprosten.
Als er sie an die Lippen führt, sage ich: » Sei tapfer. «
Dann nimmt er einen Schluck.
Und ich sehe zu, wie Peter vor meinen Augen verschwindet.
Die Luft draußen schmeckt nach Eis.
» Hey! Peter! « , rufe ich. Mein Atem verwandelt sich in Dampfwolken.
Peter steht in der Tür zum Ken-Hauptquartier und ist ratlos. Beim Klang seines Namens – den ich ihm mindestens zehnmal gesagt habe, seit er das Serum getrunken hat – hebt er die Augenbrauen und deutet fragend auf seine Brust. Matthew hat uns gewarnt, dass die Leute nach der unmittelbaren Wirkung des Gedächtnisserums für eine Weile desorientiert sein würden, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass » desorientiert « so viel wie » dumm « bedeutet.
Ich seufze. » Ja, das bist du. Und das ist jetzt schon das elfte Mal, dass ich dir das sage. Komm, lass uns gehen. «
Ich dachte, dass ich in ihm auch nach dem Gedächtnis-Reset noch den Initianten sehen würde, der Edward ein Buttermesser ins Auge gestoßen hat, der beinahe meine Freundin getötet hätte und so viele andere Dinge verbrochen hat.
Aber es ist einfacher, als ich dachte – ihm ist tatsächlich anzusehen, dass er keine Ahnung mehr hat, wer er ist. Seine großen Augen haben immer noch diesen unschuldigen Blick, aber diesmal nehme ich es ihm ab.
Evelyn und ich gehen Seite an Seite die Straße hinab und Peter trottet hinterher. Inzwischen hat es aufgehört zu schneien, aber unter meinen Schritten knirscht der Schnee, der auf dem Boden liegen geblieben ist.
Wir gehen zum Millennium Park, vorbei an der riesigen Bohnen-Skulptur, in der sich das Mondlicht spiegelt, und dann eine Treppe hinab. Auf den Stufen fasst Evelyn nach meinem Ellenbogen, um sich zu stützen, und wir sehen uns kurz an. Ich frage mich, ob der Gedanke, meinem Vater gegenüberzutreten, sie genauso nervös macht wie mich. Ich frage mich, ob sie dieses Gefühl nie loswird.
Am Fuß der Treppe ist ein Pavillon mit zwei sich gegenüberstehenden Glasblöcken, von denen jeder mindestens dreimal so groß ist wie ich. Das ist der Treffpunkt, den wir mit Marcus und Johanna vereinbart haben. Beide Parteien sollen bewaffnet erscheinen – wir wollen realistisch bleiben, aber auch auf gleicher Augenhöhe verhandeln können.
Sie erwarten uns bereits. Johanna hält keine Waffe in der Hand – im Gegensatz zu Marcus, der mit seiner Pistole auf Evelyn zielt. Sicherheitshalber halte ich meine Waffe auf
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