Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
schließlich schießen können, falls jemand aufmuckt, und das kannst du schlecht, wenn du die ganze Zeit nur darauf achtest, dass sie nicht die Treppe hinunterfällt.«
Ohne weitere Fragen übergibt ihr Uriah seine Waffe. Ich runzle die Stirn– Therese hat schon eine Waffe, was will sie also mit einer zweiten? Aber ich frage nicht. Ich stecke auch so schon tief genug im Schlamassel.
Als wir im Erdgeschoss angelangt sind, kommen wir an einem großen Versammlungsraum vorbei, der von schwarz-weiß gekleideten Menschen nur so wimmelt. Für einen Augenblick verlangsame ich meine Schritte und werfe einen Blick hinein. Manche von ihnen stehen in kleinen Grüppchen beisammen und stützen sich gegenseitig, ihre Gesichter sind tränennass. Andere sind allein, lehnen an der Wand oder sitzen in einer Ecke. Ihr Blick ist leer, in die Ferne gerichtet.
» Wir mussten so viele erschießen«, murmelt Uriah und drückt mich am Arm. » Um ins Gebäude zu kommen. Wir hatten keine Wahl«
» Ich weiß«, antworte ich.
An der rechten Wand entdecke ich Christinas Schwester und ihre Mutter, die sich gegenseitig fest umschlungen halten. Ganz links steht ein junger Mann, seine dunklen Haare leuchten im Neonlicht– Peter. Er hat seine Hand auf die Schulter einer Frau mittleren Alters gelegt, die ich vage als seine Mutter wiedererkenne.
» Was hat denn der hier zu suchen?«, frage ich.
» Der kleine Feigling ist im Nachhinein hier aufgetaucht, als die schmutzige Arbeit längst erledigt war«, sagt Uriah. » Ich habe gehört, dass sein Vater tot ist. Aber seine Mutter scheint okay zu sein.«
Peter dreht sich um und für einen kurzen Moment treffen sich unsere Blicke. Ich versuche, für ihn, der mir das Leben gerettet hat, Mitleid zu empfinden, nur für diesen einen Moment. Aber obwohl der Hass, den allein der Gedanke an ihn in mir ausgelöst hat, längst verschwunden ist, kann ich immer noch nichts für ihn empfinden.
» Warum trödeln wir hier herum?«, sagt Therese. » Los, weiter!«
Wir gehen am Versammlungsraum vorbei zur Eingangshalle, in der ich damals Caleb um den Hals gefallen bin. Das überdimensionale Porträt von Jeanine liegt zerfetzt am Boden. Der Rauch, der überall in der Luft hängt, verdichtet sich in der Nähe der Bücherregale, von denen nur noch Asche übrig ist, zu richtigen Schwaden. Sämtliche Computer sind zerstört und die Einzelteile liegen quer über den Boden verstreut.
In der Mitte des Raums sitzen in mehreren Reihen die Ken, die nicht mehr rechtzeitig fliehen konnten, und auch einige Ferox-Abtrünnige, die mit dem Leben davongekommen sind. Auf der Suche nach einem bekannten Gesicht lasse ich den Blick durch die Reihen schweifen. Ganz hinten entdecke ich Caleb. Er wirkt ziemlich benommen. Ich sehe weg.
» Tris!«, höre ich jemanden rufen. Christina sitzt in einer der vorderen Reihen, direkt neben Cara. Jemand hat ihr Bein verbunden.
Sie winkt mich zu sich und ich setze mich neben sie.
» Hat es nicht geklappt?«, fragt sie leise.
Ich schüttle den Kopf.
Sie seufzt. Als sie den Arm tröstend um meine Schulter legt, kommen mir wieder die Tränen.
Aber Christina und ich weinen nicht zusammen, wir kämpfen nur zusammen. Also halte ich die Tränen zurück.
» Ich habe deine Mutter und deine Schwester da drüben gesehen«, sage ich.
» Ja, ich auch«, antwortet sie. » Meine Familie ist okay.«
» Wenigstens etwas«, sage ich. » Wie geht es deinem Bein?«
» Ganz gut. Cara sagt, dass die Verletzung wieder heilt. Es blutet jetzt auch nicht mehr so stark. Eine von den Krankenschwestern der Ken hat noch geistesgegenwärtig Schmerzmittel, Desinfektionsmittel und Verbandsmaterial eingesteckt, bevor man sie hierher gebracht hat. Deshalb spüre ich die Schmerzen auch nicht mehr so sehr«, sagt sie. Neben ihr untersucht Cara gerade den Arm eines anderen Ken. » Wo ist Marcus abgeblieben?«
» Keine Ahnung«, sage ich. » Wir mussten uns trennen. Eigentlich sollte er auch hier sein. Außer sie haben ihn da oben umgebracht oder so.«
» Das würde mich ehrlich gesagt nicht überraschen«, sagt sie.
Eine Zeit lang herrscht ziemliches Chaos– Menschen rennen herein und hetzen wieder hinaus, die Wachen der Fraktionslosen wechseln sich ab, laufend werden neue Leute im Blau der Ken zu uns herübergebracht. Doch ganz allmählich wird alles ruhiger, und dann sehe ich ihn. Tobias tritt durch die Tür des Treppenhauses und kommt herein.
Ich beiße mir auf die Unterlippe und versuche krampfhaft, das eisige
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