Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
außer sich vor Wut, dass er am ganzen Körper zittert. » Ich habe dir vertraut, und du hast mich im Stich gelassen, um mit ihm gemeinsame Sache zu machen?«
» Nein.« Ich schüttle den Kopf. » Er hat mir etwas erzählt, und alles, was mein Bruder gesagt hat, alles, was Jeanine im Hauptquartier der Ken behauptet hat, alles hat perfekt zu seinen Worten gepasst. Und ich wollte– ich musste die Wahrheit erfahren.«
» Die Wahrheit.« Er schnaubt verächtlich. » Glaubst du wirklich, dass du die Wahrheit bei einem Lügner, einem Verräter, einem gewissenlosen Mistkerl findest?«
» Die Wahrheit?«, sagt Tori. » Wovon redet ihr da?«
Tobias und ich starren uns an. Seine blauen Augen, deren Blick sonst so nachdenklich ist, wirken hart und unbarmherzig. Sie scheinen darauf aus zu sein, meine Fassade zu durchdringen, mein Innerstes in Einzelteile zu zerlegen und genau unter die Lupe zu nehmen.
» Ich glaube«, fange ich an, aber dann muss ich innehalten und Atem holen. Ich habe ihn nicht überzeugen können. Ich habe versagt, und das, was ich jetzt sage, ist wahrscheinlich das Letzte, was ich überhaupt noch sagen darf, bevor sie mich gefangen nehmen.
» Ich glaube, dass du der Lügner bist«, stoße ich zittrig hervor. » Du behauptest, dass du mich liebst, dass du mir vertraust, dass du mich für scharfsinniger als die meisten anderen Leute hältst. Aber bei der ersten Gelegenheit, bei der dieser Glaube in mein besonderes Wahrnehmungsvermögen, dein Vertrauen, deine Liebe auf den Prüfstand gestellt werden, löst sich alles in Nichts auf.« Ich weine jetzt, aber ich schäme mich nicht für die Tränen oder für meine belegte Stimme. » Also bist du derjenige, der gelogen hat, als du all diese Dinge behauptet hast… So muss es sein, denn ich kann nicht glauben, dass deine Liebe so leicht zu erschüttern ist.«
Wir sind uns jetzt ganz nahe, nur wenige Schritte sind noch zwischen uns, und keiner von den anderen bekommt mit, was ich zu ihm sage.
» Ich bin immer noch die Tris, die lieber sterben wollte, als dich zu töten«, erinnere ich ihn und denke dabei an den Simulationsangriff. Daran, wie ich damals seinen Herzschlag unter meinen Fingern spürte. » Ich bin immer noch die, für die du mich hältst. Und eines sollst du noch wissen– ich bin mir sicher… ich weiß, dass diese geheimen Informationen alles ändern werden. Alles, was wir je getan haben, und alles, was wir in Zukunft noch tun werden.«
Ich suche seinen Blick, um ihn mit meinen Augen von der Wahrheit zu überzeugen, aber es gelingt mir nicht. Er sieht nicht in meine Richtung, ja, ich bin mir nicht einmal sicher, ob er mir überhaupt zugehört hat.
» Das reicht«, sagt Tori. » Bringt sie nach unten. Sie wird sich vor Gericht verantworten müssen, genau wie alle anderen Kriegsverbrecher auch.«
Tobias rührt sich nicht von der Stelle. Uriah packt mich am Arm und führt mich ab, weg von ihm, durch das Labor, durch den Raum aus Licht und den blauen Gang entlang. Therese von den Fraktionslosen schließt sich uns auf dem Weg nach unten an. Sie beäugt mich neugierig.
Als wir im Treppenhaus sind, knufft mich Uriah und steckt mir ein Stück Verbandsmull zu. Ich nehme es und will Uriah ein dankbares Lächeln schenken, aber es misslingt kläglich.
Beim Hinuntergehen schlinge ich mir den Verband fest um die Hand. Wir steigen über Leichen, die auf den Treppen liegen. Ich drehe mich weg, um die Gesichter nicht sehen zu müssen. Uriah hält mich am Ellenbogen fest, um mir etwas Halt zu geben. Der Verband über der Bisswunde kann zwar meine Schmerzen nicht lindern, aber irgendwie tut er mir trotzdem gut. Außerdem scheint wenigstens Uriah mich nicht zu hassen, und auch das gibt mir ein besseres Gefühl.
Zum ersten Mal ist die Tatsache, dass bei den Ferox das Alter keine Rolle spielt, ein Nachteil für mich. Und es wird mir das Genick brechen. Keiner wird mich in Schutz nehmen und mich verteidigen: Aber sie ist ja noch so jung, sie war sicherlich ganz durcheinander. Stattdessen werden sie sagen: Sie ist erwachsen und sie hat ihre Wahl getroffen.
Sie haben recht. Ich habe meine Wahl getroffen. Ich habe mich für meinen Vater und für meine Mutter entschieden und für die Ideale, für die sie gekämpft haben.
Die Treppe hinabzulaufen ist viel einfacher, als sie hinaufzusteigen. Ehe mir bewusst wird, dass wir auf dem Weg zur Lobby sind, kommen wir schon am fünften Stock vorbei.
» Gib mir deine Waffe, Uriah«, sagt Therese. » Einer von uns muss
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