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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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Frontfester eines In-Lokals. Die dritte Figur blieb stehen, als wollte sie ihr Gesicht wahren, und starrte weiter unberührt in den Himmel der Stadt. Der chinesische Garten hinter dem Museum existierte nicht mehr.
    Feuerwehren, Polizei und hunderte angebliche und wirkliche Augenzeugen kamen an den Ort der fürchterlichen Verwüstung.
    Doch als die Befragungen darauf abzielten, einen Schuldigen für diesen Wahnsinn einzukreisen, konnte sich niemand mehr erinnern. Gesichter, die beschrieben werden sollten, waren kurzerhand verschwommen, Angaben in Zeit und Wahrnehmung widersprüchlich, völlige Unsicherheit war aller Orten.
    Menschen sahen ratlos zu Boden, kratzten sich oder verkniffen die Münder, während sie versuchten zu beschreiben, was sie gesehen hatten.
    Aber am Ende konnte es niemand. Hilflos wurden Hände in die Höhe gehoben, verzweifelte Blicke umhergeworfen wie Angelruten, aber niemand, wirklich niemand hatte eine Ahnung, was dort direkt vor ihnen passiert war.
     

Flucht
    Nilah war wie betäubt und berauscht. Sie sog die Luft an seinem Hals ein, wie einen letzten Kuss, den sie nie versendet hatte. Sie nahm wahr, wie sich alles in Kühle um sie schlang. Sie hatte keine Angst. Sie war zu Hause in diesem einen Moment.
    Sie fiel – und wenn? Wen interessierte das?
    So nah war sie ihm noch nie gewesen, aber sie hatte es sich vorgestellt. Sie spürte seine Magie um sich, wie sie sie beschützte, dann trafen sie auf Metall, welches sich wie ein Krater in sich bog, und dann, ganz plötzlich, versuchte sie, sich zu erinnern, was eigentlich vorgefallen war. Es war, als griff sie in ein Knäuel aus Knoten. Aber eines wusste sie. Der Mann, der das Museum gesprengt hatte, war derselbe gewesen, den sie auf dem Foto gesehen hatte, damals in der Zeitung. Da hatte er vor einem brennenden Haus gegrinst.
     
    Ian O´Riorden hatte vieles in seinem Leben gesehen. Er war in Belfast aufgewachsen und hatte seinen jüngeren Bruder an den Krieg zwischen zwei Religionen, zwei Ländern und zwei so unversöhnlichen Parteien in nur einer Stadt verloren. Nur weil dieser an einem Sonntag in die falsche Bäckerei gegangen war, um Brötchen für seine Familie zu holen. Ein Teil der gläsernen Ladentheke hatte sich in seinen Brustkorb gebohrt, und ein Kuchenblech hatte ihm ein Bein abgetrennt, während er rückwärts durch die Frontscheibe geschmettert worden war wie ein Lumpen, den man einfach fortwarf.
    Seine Mutter weigerte sich hartnäckig, wieder ins Leben zurückzukehren. Sie zerbrach an jenem Tag für immer. Sein Vater, ein stolzer, guter Mann, zerbrach an seiner Frau. Der übrig gebliebene Sohn vermochte kein Licht mehr in die dunklen Seelen zu senden und wurde von einer Freundin der Familie sozusagen zwangsadoptiert. In einer Nacht-und Nebelaktion kam sie, packte seine wenigen Habseligkeiten in einen kleinen Koffer und nahm ihn mit aufs Land.
    Dort hatte sie ihm, dem unter Schlaflosigkeit leidenden Ian, Geschichten erzählt, während ein Torffeuer im Kamin brannte und seine Finger sich wie gebannt um die Tasse mit heißer Schokolade gewunden hatten, als bete er beim Zuhören.
    Zum ersten Mal hörte er von Kelten , nicht von Katholiken und Protestanten, sondern von Menschen, denen Bäume heilig gewesen waren, von Kriegern und Kriegerinnen, die selbst das mächtige Rom ins Wanken gebracht hatten. Von Wesen, die jede Vorstellungskraft durchbrachen und in seinen Träumen wiederkehrten.
    Stundenlang stapfte die betagte Dame mit ihm durch ein Irland, das er nie gesehen, ja für gar nicht existent gehalten hatte. Er sah Menhire, Dolmen, Hünengräber, Steinkreise und verwunschene Brunnen, hörte von Trollen und Feen und Druiden, deren Name sich von dem Wort Dru herleitete, dem keltischen Wort für Eiche.
    Als er vor etwas stand, das sich New Grange nannte, und er mit ihr sogar hineindurfte, weil sie jemanden kannte, der jemanden kannte, da war er wie erfüllt gewesen von der Aura des Ortes, die bis in seine kleinsten Adern drang. Ein altes, vergangenes Volk hatte diese Perfektion aus Steinen erbaut, fern von allem Hass und allen Kirchen dieser Welt. Es war schon entstanden, als die Pyramiden des alten Ägyptens erst geplant wurden. Damals, so erzählte die alte Frau, habe man sich nach dem Mond gerichtet. Er war es gewesen, der den Menschen sagte, wann man säen und wann man ernten sollte. Ein vielfaches Miteinander, nicht Gegeneinander! Staunend hatte er zwischen diesen riesigen Steinen dagestanden und sich gefragt, warum alles so

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