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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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sogar unterschrieben. Zwei sehr bequem aussehende rote Ohrensessel, eine Couch, ein schmaler Tisch, der voll mit wissenschaftlichen Zeitschriften war und ein sehr alter Schreibtisch mit einem modernen Laptop, der so aufgeräumt war, dass Nilah ihre Meinung über Professoren an Ort und Stelle revidierte.
    «Magst Du Tee?», kam es von irgendwo her.
    «Ja, gerne», rief Nilah zurück und setzte sich auf das Sofa. Der wie ein Burgzimmer wirkende Raum war hoch und an der Decke verliefen dicke Balken.
    «Irisch oder indisch?» Teetassen klapperten.
    «Ähm, ist mir egal.»
    Ein paar Minuten später kam der Professor mit einem Tablett in der Hand herein. Nilah stand unwillkürlich wieder auf, aber er bedeutete ihr, sich zu setzen, und stellte das Tablett auf den Tisch. Das Service wirkte wie aus einem anderen Jahrhundert. Einige schweigende Augenblicke später saßen sich die beiden mit dampfenden Teetassen voll goldener Flüssigkeit gegenüber.
    Der Professor hatte sein Jackett übergezogen und sah sie über den Rand seiner Tasse fragend an. Nilah brauchte einen Moment, bis sie verstand, und holte dann den Brief von Edda hervor. Sie faltete ihn vorsichtig auseinander und reichte ihn hinüber.
    «Der lag auf meinem Kopfkissen und ich weiß nichts damit anzufangen. Morrin meinte, dass Sie vielleicht, weil Sie am College gelehrt haben, also ...»
    «Ganz ruhig, junge Lady. Trink deinen Tee und atme tief durch, das hilft.»
    Nilah tat wie geheißen und beruhigte sich etwas. Wäre doch nur einer ihrer Lehrer so. Der Professor musterte das vergilbte Schriftstück, zog die Brauen zusammen, hielt es gegen das Licht, zog wieder die Brauen zusammen, fuhr ganz behutsam mit dem Finger über die Oberfläche, nahm einen Schluck Tee und schürzte die Lippen. Dann legte er es auf den Tisch.
    «Kann ich das für ein, zwei Tage hierbehalten?» fragte er.
    «Ja, natürlich.»
    "Was bedeuten diese drei Zeilen hier, das ist Deutsch, nicht wahr?"
    Nilah übersetzte Eddas Worte. Er murmelte die Worte drei Mal vor sich hin. Offenbar lernte er sie gerade auswenig.
    «Gut. Lust auf einen Spaziergang?»
    «Ähm, ja, warum nicht.»
    «Gut, sehr gut.»
     
    «Jene Dinge, die von Mund zu Mund gehen, haben oft eine längere Lebensdauer, als jene, die in Tinte verewigt wurden. Einst, so sagt man, hatten zwei Fürsten Streit miteinander, der, das muss man wohl hinzufügen, lediglich aus einer dahin gelallten Beleidigung bei einem Festgelage bestanden haben soll. Die beiden Gesalbten erhitzten ihre Gemüter dermaßen, dass sie einander nicht einmal mehr in die Augen blicken konnten, ohne der Mordlust anheim zu fallen. Sie sollen sogar ihre Blicke gesenkt haben, wenn nur der Name des jeweils anderen fiel. Schließlich einigten sich die Berater, die ihre Zungen nahe bei den Ohren der Fürsten hatten, darauf, dass der Streit nur dadurch beigelegt werden konnte, wenn das Blut entschied. Und damit nicht gleich ein Krieg ausgefochten werden musste, entschied man sich für ein Duell. So führten beide Parteien ihren jeweils besten Krieger an einen neutralen Ort. Einer der Krieger war stark wie ein Baum, und, so munkelte man, soll sogar einen Ochsen einmal mit einem Schlag enthauptet haben. Der zweite Krieger aber verblüffte alle, als er in den Kreis trat. Es war ein lausiger magerer Schafhirte. Keiner Fehde wert. Dann standen sie sich gegenüber. Als die beiden Fürsten ihre Arme sinken ließen, da war es auch schon vorbei. Wie ein Stein fiel die rechte Hand des Riesen mitsamt der Axt in seiner Faust zu Boden und tränkte den heiligen Ort mit Blut. Der Schafhirte schritt aus dem Kreis und verschwand schweigend in der Dunkelheit. Niemand hatte die Bewegung seiner Klinge gesehen, so schnell musste sie gewesen sein. Einige murmelten, es sei sogar der Wind persönlich gewesen. So war es ein gültiges Urteil.
    Zwar hatte der besiegte Fürst ein wütendes Temperament, aber er verließ schließlich schreiend, fluchend und auf seine Rösser einschlagend die strittige Grenze für immer. Noch lange danach soll er Angst gehabt haben, der Schafhirte könne ihn eines Nachts besuchen. Er hörte sogar auf, das Fleisch dieser Tiere zu essen, um nicht den Zorn des Hirten zu erwecken.»
    Nilah hatte wie verzaubert zugehört. Atticus Finch stand da wie ein alter Theatermime. Er hatte die Szenen so vehement nachgespielt, dass sie alles um sich herum vergessen hatte.
    « Das ist mündliche Überlieferung!», versuchte er zu erklären, und setzte sich auf einen großen Stein, der

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