Die Bestimmung
herumschlich. Jetzt verharrte die Pfeilspitze und … zeigte auf sie! Nilahs Gedanken waren wie Sirup. Sie konnte sich einfach nicht erklären was die Figur ihr damit sagen wollte. Tropfen für Tropfen kam die Erkenntnis und war dann wie ein Schlag in den Bauch. Der Kompass zeigte nicht auf sie ... sondern hinter sie! Und dann brach ihre Welt vollends auseinander.
Aus dem Schatten eines Felsens schälte sich ein zweiter, der sich ruckartig bewegte. Dunkel und etwas in der linken Faust schwingend, so groß wie Nilah. Der Boden zitterte in dem Rhythmus seiner Schritte bis in ihre nassen Socken, als er wie eine Lawine auf sie zufloss. Etwas in ihr zog sich zusammen, hämmerte wie wild gegen ihren Brustkorb. Nilah stieß ein Kreischen aus, als hinter ihr eine Stimme laut schrie. Sie drehte den Kopf und was sie sah, bündelte sich in einem weiteren Laut, so schrill, dass er in ein Krächzen umkippte.
Durch das knöchelhohe Gras lief ein nackter, von Kopf bis Fuß blau bemalter Mann. Sein Gesicht verzerrt von wütenden Rufen, die sie nicht verstand.
Ihr Kopf flog zwischen den Bedrohungen hin und her wie betäubt. Der Schatten wurde immer schneller, hob den Arm und Nilah erkannte eine riesige Keule in dessen Faust, als sich dahinter drei weitere Schatten auf den Weg machten. Der Mann hinter ihr aber brüllte weiter, erhob ebenfalls den Arm, während er mit dem anderen wild auf den Boden deutete. Dann schleuderte er etwas, das wie ein Tomahawk aussah. Nilahs Herz pumpte und pumpte, als ihre Knie einsackten. Sie fiel, etwas sauste schwirrend an ihrem rechten Ohr vorbei, traf mit einem dumpfen Ton auf und ein wahrer Regen aus muffiger Erde prasselte plötzlich über sie hinweg. Den Kopf ins Gras gepresst, sah sie zwischen schnellen Lidschlägen und ihrem hechelnden Atem, wie der bemalte Mann über sie hinwegsprang, den Tomahawk einfach mit dem Fuß wieder hoch kickte, ihn in der Luft auffing, gleichzeitig ein Schwert zog und nun völlig stumm auf die anderen Gestalten zustürmte. Alles flackerte vor ihren Augen wie in einem wilden Schnitt. Die blau gezeichneten Spiralen und Muster auf seinen Gliedern schienen zu leben, während er mit einer solchen Wucht den zweiten Schatten mit nur einem Hieb zerteilte, dem dritten den Schild zertrümmerte und ihm das Schwert in den Leib rammte.
Nilahs Atem bog die Grashalme wie einen Theatervorhang auseinander, als der vierte Schatten innehielt und wütend in den Himmel grunzte. Drei weitere Schatten erschienen daraufhin wie aus dem Boden gestampft und kreisten den bemalten Mann ein. Er drehte sich um die eigene Achse, die Waffen im Anschlag, als plötzlich etwas aus der Dunkelheit schoss, sich ein riesiges Geweih in den Körper eines der Schatten bohrte, ihn viele Meter fortstieß und mitten im Flug zerplatzen ließ. Der blaue Mann nutzte die Chance und warf sein Beil direkt in die Seite des einen, der dadurch ebenfalls zerstob. Die letzten beiden aber ließen Keule und Schild fallen und flüchteten in die schützende Dunkelheit, während der Bemalte ihnen etwas nachrief. Dann war alles vorbei.
Nilahs Brustkorb zitterte. Sie schnaufte ins Gras. Vorsichtig setzte sie sich auf und versuchte krampfhaft, im Hier und Jetzt zu bleiben. Der nackte Mann steckte sein Schwert in die Scheide am Rücken, breitete die Arme aus und brüllte noch etwas in die Dunkelheit, bis er sich zu besinnen schien und sich endlich umdrehte. Sein Blick war schneidend, als er auf sie zuging. Das Blatt seiner Axt, die am rechten Handgelenk in einer Schlaufe baumelte, war dunkel verfärbt. Der eiserne Schädel eines Wolfes hockte zähnefletschend darauf. Nilah wich zurück, als ein Schwall unbekannter Worte über sie hereinbrach, wie kantige Steine, die man ihr ins Gesicht warf.
Von all dem machte ihr Gehirn eine Aufnahme, während der Mann seinen verschmutzten Arm ausstreckte und sie dann anfauchte. Sie sah drei geflochtene Zöpfe an seinem Gesicht entlanggleiten, als wären es dünne verknotete schwarze Schlangen. Sie glaubte etwas darin glitzern zu sehen. Sie sah, wie er sich niederkniete und etwas sagte, das plötzlich beinahe sanft klang. Wie seine Lippen etwas formten, das ihr irgendwie bekannt vorkam. Sie versuchte zu lächeln.
Dann knipste jemand das Licht in ihrem Kopf aus.
Der Gezeitenkrieger
Lirans Herz hämmerte das noch immer aufgewühlte Blut durch seine Adern, als die zierliche Gestalt vor ihm einfach auf die Seite kippte. Die stechenden Schmerzen in seinen Schläfen ließen seinen Blick
Weitere Kostenlose Bücher