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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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Lichtteppiche in den Garten warf. Ihr Vater war also endlich von seiner Arbeit zurück.
    Plötzlich schien die Luft zu erzittern, nur für einen kurzen Moment. Gänsehaut legte sich auf Nilahs Arme. Die Blätter der Bäume rauschten, alles Licht war plötzlich unstet. Für einen kurzen Augenblick sah es aus, als ob die Sterne am Himmel sich durch die Wolken drückten, wieder zurückzogen und dann stob eine heftige Windbö durch den Garten, ließ sie zurückweichen. Nilah hob unwillkürlich die Hände, um sich gegen das aufgewirbelte Laub und umherfliegende kleine Äste zu schützen.
    Dann war alles wieder ruhig. Zu ruhig. Langsam ließ sie die Hände sinken und da stand er – Liran! Mitten im Garten. Ein schwarzer Umriss. Regungslos, als stehe er auf einer Bühne und würde jeden Moment seinen Monolog beginnen. Erschrocken starrte sie ihn an, aber er blickte ins Nirgendwo. Nilah war wie betäubt, und dann sah sie ihn niedersinken, als hätte man ihm in die Kniekehlen geschlagen. Da erst hob er den Blick, der sich mit dem ihren traf. Tiefstes Bedauern lag darin, als er nach vorn fiel und mit einem lauten Klatschen im Pool versank. Das laubbedeckte Wasser schloss sich um ihn wie ein schmutziges Gewand und begann, sich rot zu färben.
    Der Traum brach durch die Oberfläche und spülte alles, was ihn eingesperrt hatte, beiseite.
    Mit einem Satz war Nilah an der Terrassentür, schrie mit aller Kraft: »PAPA!» und war im nächsten Moment schon in den Pool gesprungen. Sofort war sie unter Wasser, packte einen Ärmel, zog so fest sie konnte, aber der Krieger war einfach zu schwer. Sein dicht gewebtes, wollendes Wams sog sich mit Wasser voll. Liran sank auf den Grund wie ein Stein. Aus seinem Rücken ragte ein grässlich gewundenes schwarzes Ding. Prustend kam Nilah wieder hoch: «PAPA!», rief sie aus Leibeskräften, holte Luft und verschwand wieder in der trüben Brühe. Sie versuchte, Liran irgendwie zu drehen, ihn anzuheben. Wenigstens den Kopf, damit er wieder atmen konnte. Doch so sehr sie sich anstrengte, es gelang ihr nicht. Luftbläschen, Dreck und welke Blätter wirbelten umher, ihre Lunge brannte, als plötzlich neben ihr tausende kleine Strudel umherstoben und ein großer verschwommener Körper half – ihr Vater, endlich.
    Er umklammerte Liran und stemmte ihn hoch. Mit dampfenden Haaren und nach der Nachtluft schnappend durchstießen sie die Oberfläche. Daan kletterte auf den Rand, während Nilah mit aller Kraft den auf die Brust gesunkenen Kopf Lirans über Wasser hielt. Dann zog ihn ihr Vater mit lautem Ächzen auf die Fliesen des Beckenrandes.
    «Mein Gott, wer ist das, was ist passiert?», stieß er keuchend hervor. Seine Haare hingen ihm tropfend vor den Augen, über seinem Ohr klebte ein rotes Ahornblatt.
    «Wir müssen ihn reinbringen, Papa, er scheint schwer verletzt», schluchzte Nilah verzweifelt.
    Daan brachte Liran irgendwie dazu, für einen Moment aufrecht zu wanken, während Nilah ihn stöhnend stabilisierte und gar nicht wusste, wo sie anfassen sollte. Lirans Gesicht war blutverschmiert. Bizarre Muster hatte das Blut auf der bleichen Haut hinterlassen. Dann schaffte es ihr Vater, sich irgendwie unter den Verletzten zu beugen und hob ihn auf die Schulter. Schlaff baumelten die Arme herunter. Aus seiner Kleidung strömte Wasser und hinterließ eine dunkle Spur. Die langen Haare fielen wirr und klatschten gegen den Rücken ihres Vaters, als er ihn wankend ins Wohnzimmer trug. Nilah lief voran und schmiss alles vom Sofa herunter, das im Wege liegen könnte. Sie schafften es, Liran auf das Sofa zu bugsieren, ohne dabei den Pfeil anzurühren. Nilah legte ihm ein Kissen unter den Kopf. Es sah fast wie eine stabile Seitenlage aus , dachte sie kopflos. Daan war mit schmatzenden Schuhen sofort auf den Dachboden gestürmt. Jetzt kam er mit dem alten Heizstrahler wieder herunter, der Sekunden später rot glühend seinen Dienst aufnahm.
    «Wir müssen ihm die nassen Sachen ausziehen, er bekommt sonst noch eine Lungenentzündung!», stammelte er betroffen, obwohl er sich selbst vor Nässe kaum bewegen konnte und gerade ein Geschirrtuch auf dem Kopf hin und her rubbelte.
    «Aber wie sollen wir das machen, ohne dieses … Ding da zu berühren?», fragte Nilah.
    «Verdammt, wir rufen jetzt einen Krankenwagen!»
    «Nein!» Und dieses ‚Nein‘ klang so ruhig und satt, als hätte sie einen Stab in den Boden gerammt. Ihr Papa blinzelte sie erstaunt an.
    «O.K., dann rufe ich Peter an. Ich hoffe nur, er hat

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