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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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Gesicht.
     
    Nilah strömte aus dem Traum, wie ein Schatten, der weiter wandert. Wie in einer Blase gefangen war das Erlebte und stieg nun auf. Sie wusste nicht, dass dieser Traum nach oben strebte. Sie wusste noch nicht, dass, wenn er platzte und seine Bilder endgültig in sie strömen konnten, sie nie wieder dieselbe sein würde.
     
     

Buch zwei

Wenn nichts mehr gut wird

    Nilah wachte auf. Draußen war es schon lange dunkel. Sie kniff die Augen zusammen, um die Uhr am DVD-Player zu entziffern. Die grüne Anzeige 22:22 sprang gerade auf 22:23 um. Sie war also richtig weggenickt und nun horchte sie ins Haus.
    Stille. Immer noch alleine.
    Müde rappelte sie sich auf und brachte das schmutzige Geschirr in die Küche. Da machte also einer Überstunden, nur damit er nicht mit seiner Tochter reden musste. Das war ja ganz toll! War das der erste Riss? War das endlich der beginnende Graben, von dem all ihre Schulfreundinnen berichtet hatten? Jener Fluss, über den man keine Brücke mehr bauen konnte, weil die jeweiligen Ufer aus so verschiedenen Materialien geschaffen waren, dass sie einander abstießen?
    Für einen Moment dachte sie daran, eine SMS zu schicken, verzog dann aber grummelnd die Lippen und verwarf diese Idee. Sollte er doch schmoren, ihr Vater. Sollte er doch, ach, ... was wusste sie denn?
    Nilah baute sich eine kleine Bettenburg aus Kissen. Sie hatte keine Lust, oben in ihrem Zimmer zu schlafen. Sollte ihr Vater doch sehen, dass sie auf dem Sofa schlief. Sollte er doch in Gewissensbissen zergehen, wenn er sie dort liegen sah, nur mit einer dünnen Wolldecke bedeckt.
    Die Bilder trieben weiter ihre Adern hinauf. Der Traum wartete.
     
    Liran stürzte vornüber ins Gras und überschlug sich. Die Stute kreischte so laut, so menschlich. Er rappelte sich benommen hoch und sah einen Pfeil in ihrem Hals stecken. Dieser hatte ihn voll durchschlagen. Blut rann am Hals des Pferdes und der bebenden Brust herunter. Weitere Pfeile trafen sie, drangen klatschend in den weißen Körper. Er sah ihre schönen Augen brechen. Dann knickte sie ein und kippte um. Ihr Leben verging im Gras. Der Wind holte ihren Atem.
    Etwas in dem Krieger riss sich los. Dieser schimmernde Zorn flog ihm zu. Er musste ihn nicht zu sich rufen. Er war einfach da, stand mit ihm auf. Seine Augen wurden schmaler, seine Lippen pressten sich aufeinander. Mit einer fast sanften Bewegung sprang er dem ersten Angreifer entgegen. Der hässliche Schädel zerbarst in zwei Teile und ungläubige Augen wurden leer.
    Als er kämpfte, wusste er, dass es nicht richtig war. Aber die Magie glühte förmlich auf seiner Haut, sie wollte hinaus, sie wollte wüten. Eine weitere Kreatur rannte auf ihn zu und lud im Laufen die Armbrust. Liran warf ihr das Kriegsbeil in die schmalen Rippen. Eine Dritte, die dahinter verdeckt gewesen war, zog das Beil aus dem Gefallenen und verschwand damit gackernd in der Dunkelheit. Die Luft war erfüllt von ihrer klackernden Sprache. Es wurde immer lauter.
    Dann ein schriller, heulender Pfiff. Liran riss das kleine Schild des einen Toten hoch, und die schartige Spitze eines Dam´ Daru durchschlug dumpf das Holz. Sie blieb nur wenige Zentimeter vor seinem Auge darin stecken. Es waren Pfeile von uralten Bäumen, gewunden wie eine Spirale, mit schwarzem Gift versehen, sehr schnell und sehr gefährlich – selbst für ihn. Sein Herz schlug heftig und übertönte den Wind.
    Etwas sprang ihm in die Seite. Er fiel, der Schild rutschte ihm aus der Hand. Er konnte die langen, klapprigen Finger spüren, die durch sein Gesicht kratzten und versuchten, ihm die Augen auszustechen. Ein weiterer Dam´ Daru schoss so dicht an ihm vorbei, dass er den Windwirbel spürte. Er drehte und wand sich. Seine Hand schloss sich um den Hals des Wesens, es knackte kurz, dann wurde es schlaff. Er musste fort von hier! Diese Schlacht würde er nicht überleben, egal wie viele Zauber ihn schützten. Der Traum, der Traum hatte ihm gezeigt, wie er von hier fortkam. Er durfte jetzt nicht hier bleiben, auch wenn etwas in ihm den Kampf beenden wollte.
    Als er humpelnd hochkommen wollte, sprang ihn die nächste Kreatur an. Scharfe Krallen rissen seine Wange auf. Blitzschnell drehte er sich herum und saß damit auf dem Rücken des Wesens. Er packte es an seinem dürren, ledrigen Nacken, sah das Schild vor sich im Gras liegen. Unter ihm strampelte es wild, doch er drückte das Gesicht gnadenlos genau in die daraus stakende Pfeilspitze. Der Körper zuckte ein paar Mal, dann

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