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Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Titel: Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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alten Zeitschriften nachgesehen habe, ob ich jemandem ähnlich sehe. Aber da war ich noch klein, und sie verarschte mich bloß. Als Kind war ich so besessen davon, dass ich jeden alten Mann, der mir auf der Straße zulächelte, anstarrte und mich fragte, ob er das wohl war. Ein Wunder, dass mich nicht irgendein alter Kinderschänder gekidnappt hat, sagte er betrübt. – Jetzt will sie gar nicht mehr über ihn reden. Skinner hob sein Glas und nahm einen großen Schluck. Kay sah seinen Adamsapfel hüpfen, während noch mehr Alkohol durch seine Kehle floss. – Alle paar Jahre frage ich sie wieder, und sie geht an die Decke, und wir haben einen Riesenkrach.
    Kay strich erneut nervös ihr Haar zurück, sah ihr Glas an und beschloss, es nicht auszutrinken. – Sie muss ihn wirklich hassen.
    – Aber es ist irrational, jemanden derart zu hassen … Skinner brach ab, als ihm abrupt Kibbys Gesicht mit den unschuldig-blöden Kamelaugen vor Augen trat, – … Ich meine, nach so langer Zeit noch, murmelte er betreten.
    Ich hasse Kibby wirklich. Ich bin genau wie sie. Warum gerade Kibby? Was tut er mir denn Schlimmes?
    Würde Kibby doch abhauen, aus meinem Leben verschwinden und sich zurück ins verschissene Fife verpissen oder sonst wohin.
    Die Wände waren in einem leuchtenden Gelb gestrichen. Himmelblaue Vorhänge hingen vor den großen Fenstern. Aber die beruhigende Innenausstattung des Zimmers konnte nicht von dem ablenken, was eigentlich den Raum beherrschte: das metallene Krankenhausbett. Ein Fernseher schwebte zur Seite geschwenkt auf einem Gelenkarm, der an der Wand über dem Bett befestigt war. Abgesehen von einem fahrbaren Spind und einer kleinen Waschecke neben der Tür war der Raum unmöbliert.
    Im seinem Bett spürte Keith Kibby das Leben langsam und unaufhaltsam aus sich entweichen wie aus einem löchrigen Reifen. Die Kochsalzlösung tropf-tropf-tröpfelte in seine welken Glieder, jeder Tropfen für ihn das kaum hörbare Ticken einer Uhr. Die Bäume draußen waren kahl, verdorrte, dürre Äste; wie seine Arme, dachte er, nur dass sie, im Gegensatz zu denen im Frühjahr, zu neuem Leben erwachen werden. Der letzte Sommer war gut gewesen, erinnerte sich Keith durch den verwirrenden Nebel der Medikation, dann keuchte er, als brauchte er eine Bestätigung: – Ein guter Sommer … Doch das brachte ihn zu einer bitteren Erkenntnis, und er drehte seinen kahlen Schädel, um hadernd an die Zimmerdecke zu starren: – … und ich durfte nur neunundvierzig von den Bastarden erleben …
    Francesca Ryan, eine der Stationsschwestern, betrat Keiths Zimmer, um seinen Puls und Blutdruck zu messen. Während sie ans Werk ging und die Manschette ihres Messgeräts um sein dünnes Handgelenk legte, studierte Keith die Haare in ihrem Gesicht unterhalb der Mundpartie. Ein kleiner Funke glühte in ihm auf, und er dachte, dass sie gar nicht übel aussähe, wenn sie die Haare entfernen lassen würde.
    Elektroresektion. Das und ein paar Pfund runter. Aye, dann wäre sie zum Anbeißen.
    Ryan konnte es kaum abwarten, von Keith Kibby wieder wegzukommen. Es war nicht seine Krankheit, die sie anekelte, an den nahen Tod war sie gewöhnt, aber er hatte irgendetwas an sich, er dünstete ein wildes Verlangen aus, das sie verstörend fand. Da war ihr der alte Davie Rodgers nebenan lieber, auch wenn er sie immer aufzog, weil sie aus Limerick City war: »Lasst das Mädchen bloß nicht in den OP , wo die ganzen Messer rumliegen, sonst gibt’s ein Blutbad!«
    Old Davie konnte eine Nervensäge sein, aber bei ihm wusste man, woran man war. Als sie sich von Keith Kibby abwandte, spürte sie seinen Blick in ihrem Rücken.
    Als Mr Kibbys Frau, Sohn und Tochter erschienen, war Francesca erleichtert. Sie machten auf sie den Eindruck einer Familie, die zusammenhielt, die den Vater aufrichtig liebte und an seiner Krankheit verzweifelt war. Sie selbst fand ihn nicht im Geringsten liebenswert, aber die Welt war nun mal komisch.
    Sie beobachtete, wie die junge Tochter den Vater auf den Kopf küsste. Francesca hatte aufgeschnappt, dass sie im ersten Semester an der Edinburgh University Englisch studierte. Sie ging manchmal zu Partys in der Student Union und überlegte, ob sie Kibbys Tochter irgendwo unterbringen konnte, aber ihr Gesicht, von konventioneller Schönheit, wie Francesca ein wenig neidvoll dachte, kam ihr nicht bekannt vor. Caroline sah, dass die Krankenschwester sie anstarrte, und lächelte knapp zurück. Leicht irritiert verließ Schwester Ryan die

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