Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)
Station.
Caroline hatte vorgehabt, am Abend vielleicht in einen Club in der Teviot Road zu gehen, auf die Party irgendeiner Verbindung, bei der eine lokale DJ – Größe auflegen sollte. Doch beim Anblick der Erschöpfung im Gesicht ihres Vaters hätte sie am liebsten los geheult. Erst als sie Tränen in den Augen ihrer Mutter aufsteigen sah, fand sie sich seltsamerweise in der Lage, die eigenen wütend zu unterdrücken.
Ich bin nicht so wie sie. Ich werde stark bleiben.
Sie bemerkte, dass ihr Bruder stumm geblieben war, aber eine seiner Backen zwischen die Zähne gesaugt hatte, eine nervöse Angewohnheit von ihm, die ihr gut vertraut war. Dann sagte er etwas zu ihrem Vater, etwas, das klang wie: – Wenn du erst mal wieder hier raus bist, werden wir …
Aber Brian Kibby sollte diesen Satz nie beenden, denn sein Vater hatte einen heftigen Anfall. Die Kibbys riefen nach den Schwestern. Die waren auch sofort zur Stelle, allen voran Francesca Ryan, doch sie konnten nichts tun, während Keith Kibby sich vor ihren Augen herumwarf. In seinem Todeskampf klammerte er sich mit aller Kraft ans Leben und bäumte sich mit fast übernatürlicher Kraft im Bett auf, die Augen getrübt, während die Kibbys lautlos beteten, er möge loslassen und in Frieden aus der Welt scheiden. Dass er so qualvoll, auf gespenstische Weise verendete, machte den unsagbaren Schrecken, den der Tod des Vaters Caroline bereitete, umso schlimmer. Sie hatte erwartet, er würde langsam verlöschen wie die Lampen zu Hause, die er alle mit Dimmer ausgestattet hatte: ein allmähliches Hinüberdämmern in die Dunkelheit. Aber wie er sich so herumwarf, konnte sie förmlich sehen, wie das Leben, das nun in diesem Leib wie eine fremde Kraft wirkte, sich aus seinem brüchigen Käfig zu befreien suchte.
Die Zeit schien stillzustehen, Sekunden sich zu Stunden zu dehnen, während er in ihren Armen dahinstarb. Vor allem Brian hielt seine knochige Bürde, als wolle er versuchen, jeden sich auftuenden Riss zuzuhalten, aus dem die Lebenskraft seines Vaters zu entweichen könnte. Als es vorüber war, war es, als habe Keith von jedem der Kibbys im Raum ein Stückchen mitgenommen. Ein langes Schweigen folgte, ehe Brian, der schmächtige Junge mit den langwimprigen Kuhaugen, seine Mutter und seine Schwester in die Arme schloss.
Caroline nahm den Schweißgeruch ihrer Mutter wahr, übel riechend, widerlich, eigentümlicherweise wie der Leichnam ihres Vaters, und dann den süßen, frischen Aftershavegeruch auf dem Gesicht ihres Bruders.
Es war Brian, der schließlich das Schweigen brach. Caroline schaute auf und sah die Tränen, die über den Pfirsichflaum seiner Wangen liefen. – Nun hat er seinen Frieden, sagte er.
Joyce sah zu ihm auf, erst dumpf, wie ein Mondkalb, dann klarer, suchender. – Seinen Frieden, sagte Brian noch einmal und verstärkte den Griff um seine Mutter.
– Frieden, wiederholte Joyce, von besinnungslosem Schmerz überwältigt.
– Frieden, bestätigte Brian erneut und schaute Caroline an. Sie nickte und überlegte, ob sie nun zu dieser Fete am Abend gehen sollte oder nicht; dann hörte sie, wie ihre Mutter mit leiser, doch gespenstisch aufsässiger Stimme zu beten begann:
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser …
Als sie hörte, wie ihr Bruder bei »er erquickt meine Seele« mit einstimmte, wusste sie, dass sie heute Abend nicht mit ihnen zu Hause bleiben würde. Sie konnte einfach nicht.
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11
Beerdigungen
Der alte Schluckspecht hat zu seiner Zeit ganz schön hinlangen können. Und zwar nicht nur beim Schlucken, ich hab gelegentlich auch miterlebt, wie er anderen Schnapsnasen, die eine Lippe riskiert hatten, zehn verschiedene Sorten von Scheiße aus den Knochen prügelte. Aye, er war ne Zeit lang richtig gemeingefährlich, als er diesen letzten wütenden Schub von Menopausenaggro kriegte, auf das dann unmittelbar der körperliche und geistige Abbau folgte, den das Alter mit sich bringt. Da hat ihn ein Jüngerer, bei dem er frech geworden ist, übel plattgemacht, und nun scheint so ein kaputtes gelbes Licht in seinen Augen. Wer weiß, es könnte innerer Frieden sein, aber wahrscheinlich ist es eher eine fertige Leber. Sammy heißt er, meine ich.
Jetzt kann er bloß noch dem alten Busby mit irgendwelchem Scheiß die Ohren vollsabbeln; die beiden sind immer zusammen hier, in dieser versifften Tränke auf der Duke Street. Nur dass Busby heute nicht
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