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Die Beute

Die Beute

Titel: Die Beute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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gut mit P.C. Serrani befreundet ist …«
    »… Großmama, warum hast du so große Zähne  …«
    Audrey hatte ihr Gespräch mit der Mutter beendet.
Jenny gab dem Jungen einen schnellen Klaps auf die Schulter und drehte sich zur Tür um.
    »… Damit ich dich besser FRESSEN kann, meine Liebe!«, kreischte Nori plötzlich und schoss vom Sofa hoch. Jenny wirbelte herum – und ließ ihre Flyer fallen. Da stand Nori, die Augen weit aufgerissen, den Mund zu einer Grimasse verzerrt. Und für einen Moment sah Jenny kein Kind, sondern einen kleinen, missgestalteten Kobold.
    Dann rief die Mutter: »Nori!«, und Jenny kehrte ruckartig in die Realität zurück. Sie spürte, wie sie rot anlief, und sammelte hastig die Flyer ein.
    Nori begann zu kichern. Jenny entschuldigte sich. Die Mutter schimpfte. Endlich traten sie aus dem Haus.
    »Ich werde niemals Kinder haben«, stellte Audrey fest.
    Dann setzten sie ihre Tour fort. Einige Leute waren freundlich, andere grob. Ein Mann mit freiem Oberkörper lachte unfreundlich, als sie das Gespräch auf Summer brachten, und krächzte: »Habt ihr schon in der Shopping-Mall nachgesehen?« Aber fast alle hatten bereits von dem verschwundenen Mädchen gehört.
    Die Abendessenszeit kam und ging. Sie riefen ihre Eltern an und gaben Bescheid, dass sie noch ein Weilchen länger fort sein würden, solange es noch hell war.
    Jenny warf Audrey einen überraschten Seitenblick zu. Audrey war normalerweise nicht der Typ, der stillschweigend in den sauren Apfel biss; Jenny hatte erwartet,
all ihre Überredungskünste aufbieten zu müssen, damit sie mit ihr zusammen so lange draußen blieb.
    Aber in Audrey steckte viel mehr, als ihre Glamour-Girl-Fassade vermuten ließ.
    An der nächsten Straßenecke trafen sie auf spielende Kinder. Jenny erkannte den weißblonden Schopf eines Jungen, der an einem Baum stand und sich die Augen zuhielt. Es war Summers zehn Jahre alter Bruder.
    »Cam!«, rief sie überrascht. Aber er hörte sie nicht. Er zählte weiter und stützte den Kopf auf seine verschränkten Arme. Andere Kinder sprangen umher und versteckten sich in offenen Garagen und hinter Büschen oder im Efeu. Jenny erkannte noch zwei weitere von ihnen: Dees kleine Schwester Kiah und ihren eigenen Bruder Joey.
    Offenbar hatten sie sich nach dem Abendessen noch zum Spielen bei Cam getroffen. Für Kiah war das ein ziemlich langer Weg, selbst mit dem Fahrrad.
    »Was spielen die denn da?«, fragte Audrey.
    »Sieht nach Räuber und Gendarm aus.« Als Jenny Audreys ratloses Gesicht sah, fiel es ihr wieder ein. Audrey war an vielen Orten aufgewachsen und hatte kaum jemals Spielkameraden gefunden; ihr Vater war beim diplomatischen Corps gewesen. Wenn er nicht frühzeitig in den Ruhestand getreten wäre, wäre sie jetzt auch nicht in Kalifornien.
    »Es ist ein Fangspiel. Du fängst die Räuber und bringst sie als Gefangene zurück zu deinem Stützpunkt. – He,
Vorsicht!« Jenny fing eine kleine Gestalt auf, die aus dem Efeu geschossen kam, stolperte und durch die Luft flog. Es war Kiah und Cam war ihr dicht auf den Fersen.
    Kiah schaute auf. Sie würde nie so groß werden wie Dee, aber sie hatte Dees feinen Knochenbau und war von ebenso auffallender Schönheit. Cams Haar war so flaumig wie eine Pusteblume und noch heller als das von Summer. Es ließ ihn seltsam schutzlos wirken, obwohl Jenny wusste, dass er ein zäher kleiner Bursche war.
    Im Gegensatz zu Summer, die überhaupt nicht zäh war, dachte Jenny. Summer war so zerbrechlich wie gesponnenes Glas.
    Seit der Nacht des Spiels lagen Jennys Gefühle wie unter einem dicken Segeltuch verborgen – abgeschnitten von ihr und trotzdem quälend. Doch bei Cams Anblick brachen plötzlich alle Dämme und sie wurde von ihren Gefühlen überflutet. Trauer. Schuld. Tränen traten ihr in die Augen.
    Was um alles in der Welt sollte sie ihm sagen? »Es tut mir leid« war so schrecklich jämmerlich, so schrecklich banal.
    Da kamen die anderen Kinder aus ihren Verstecken und scharten sich neugierig um sie. Jenny brachte keinen Ton heraus. Audrey kam ihr zu Hilfe und improvisierte.
    »Na, was spielt ihr denn?«
    »Lämmer und Monster«, antwortete Cam. »Ich bin das Monster.«

    »Oh. Und wie spielt man das?«
    Kiah meldete sich zu Wort. »Wenn du ein Lamm bist, versteckst du dich, und dann kommt das Monster dich suchen. Und wenn es dich antippt, dann bist du gefangen, und du musst mit in die Höhle des Monsters gehen. Und du musst dort bleiben, bis ein anderes Lamm kommt und

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